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Zoologischer Anzeiger

begründet von J. Victor Carus

herausgegeben von

Prof. Kugen Korschelt

in Marburg. Zugleich

Organ der Deutschen Zoologischen Gesellschaft

XLVI. Band.

159 Abbildungen im Text.

Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann

1916

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Inhaltsübersicht.

I. Wissenschaftliche Mitteilungen.

Blunck, Hans, Die art-individuellen biologischen Charaktere des Dytiscus semi- sulcatus Müller (= punctulatus Fabr.) 225. Das Leben des Gelbrands (Dytiscus L.) (ohne die Metamorphose) 271. 289. Braem, F., Die Männchen der Kiefenfüße 5. Duncker, Georg, Lebensdauer einer Blindschleiche (Anguis fragilis L.) in Ge- fangenschaft 240. Flößner, W., Zur Bildung des Epiphragmas von Helix pomatia 221. Frickhinger, Hans Walter, Japanische Polychäten aus der Sammlung Doflein 233. Fuhrmann, O., Eigentümliche Fischcestoden 385. Grimpe, Georg, Chunioteuthis. Eine neue Cephalopodengattung 349. Honigmann, H. L., Beitrag zur Molluskenfauna des Orzyc (Russ. Polen) 95. Ihle, J. E. W., Uber einige von der Siboga-Expedition gesammelte Tiefsee-Brachy- uren aus der Familie der Dorippidae und ihre geographische Verbreitung 359. Jegen, G., Zur Kenntnis von Collyriclum faba [Brems.] Kossack 216. Kneißl, Ludwig, Uber einige ungenügend bekannte Milben 253. _ Koenike, F., Zwei neue Wassermilben der Gattungen Hygrobates und Megapus 158. Krauße, Anton, Zwei neue Sericothrombium-Arten 251. Kükenthal, W., System und Stammesgeschichte der Isididae 116. System und Stammesgeschichte der Primnoidae 142. Meijere, J.C. H. de, Zur Kenntnis des Kopfbaues der Dipterenlarven und -ima- gines 241. Müller, Adolf, Zur Kenntnis des 2 von Liobunum hassiae Ad. Miill. 399.’ Noack, Th., Über den mumifizierten Kopf eines Incahundes aus dem Totenfelde von Ancon in Peru 62. 65. —— Uber die Schädel vorgeschichtlicher Haushunde im Römermuseum zu Hildes- heim 75. Nusbaum, J. und Oxner, M., Zur Restitution bei dem Seestern Echinaster sepo- situs Lam. 161. Petricevic, Paul, Der Verdauungstrakt von Squilla mantis Rond. 186. 193. Poche, Franz, Über das System der Anthozoa und einige allgemeine Fragen der zoologischen Systematik 6. 33. Prell, Heinrich, Zur Kenntnis der Gemmulae bei marinen Schwämmen 97. Reisinger, Ludwig, Einige Higentiimlichkeiten des albinotischen Auges der weiBen Ratte 1. —— Zoologie und Physiologie 231.

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» Shaffer, Elmer, Discocotyle Isalmonis nov. spec., ein neuer Trematode an den Kiemen der Regenbogenforelle (Salmo irideus) 257. Stefanski, W., Die freilebenden Nematoden des Inn, ihre Verbreitung und Syste- matik 363. 369. Steiner, G., Beiträge zur geographischen Verbreitung freilebender Nematoden 311. 337. i Strindberg, Henrik, Hauptziige der Entwicklungsgeschichte von Sialis lutaria L. 167. —— Noch eine Ameise ohne Serosa (Tetramorium caespitum L.) 198. Thallwitz, J., Über Dimorphismus der Männchen bei einem SüBwasserharpacti- ciden 238. Toldt, K. jun., Bemerkungen über das lokale Auftreten von Sinushaaren am Säuge- tierkörper 300. Verhoetf, Karl W., Zur Kenntnis der Plesiocerata 16. 43. », Wagner, Oskar, Uber den Entwicklungsgang einer Fischtänie 70. Weber, L., Abnorme Copula bei Melolontha vulgaris L. 219. Wedekind, W., Die hermaphroditische Zusammensetzung der Partheno-Hier 126. 129, Zimmer, C., Die Systematik der Tribus Mysini H. J. Hansen 202.

II. Mitteilungen aus Museen, Instituten, Gesellschaften usw.

A pstein, Anträge an die Internationale Nomenklatur-Kommission 29. Deutsche Zoologische Gesellschaft 336.

Krancher, O., Fortschritte in der Entomologie 286. Naturhistorisches Museum (am Dom) Lübeck 192. Schweizerische Naturforschende Gesellschaft 32.

III. Personal-Notizen.

a. Städte-Namen.

Rostock 32. Utrecht 32. b. Personen-Namen. Becher, S. 32. + Hilger, C. 256. = Stobbe, Rudolf 160. + Boveri, Theodor 160. Jordan, H. 32. von Wagner, Franz + Elsler, Ernst 160. + NuBbaum, Moritz 192. 64. + Hasper, Martin 336. + Riihe, Fr. Ed. 160. Zarnik, Boris 256.

+ Henninger, G. 336. + Sachse, Rudolf 96. Berichtigung 256.

Zoologischer Anzeiger

herausgegeben

von Prof. Eugen Korschelt in Marburg. Zugleich

Organ der Deutschen Zoologischen Gesellschaft.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

XLVI. Band. 31. August 1915. NT, 1: Inhalt:

| II. Mitteilungen aus Museen, Instituten usw.

I. Wissenschaftliche Mitteilungen. . Reisinger, Einige Eigentümlichkeiten des albinotischen Auges der weißen Ratte. (Mit 4 Figuren.) S. 1. 9 a i Männchen der Kiefenfüße. 9.5. | 2. Schweizerische Naturforschende Gesell- : 2 i LIE schaft. S. 32. 3. Poche, Uber das System der Anthozoa und ICE einige allgemeine Fragen der zoologischen | Systematik. (Mit 1 Figur.) S. 6.

4. Verhoeff, Zur Kenntnis der Plesiocerata. | (dit 19 Figuren.) S. 16.

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1. Apstein, Anträge an die Internationale Nomenklatur-Kommission. S. 29.

Ill. Personal-Notizen. S. 32

I. Wissenschaftliche Mitteilungen.

1. Einige Eigentümlichkeiten des albinotischen Auges der weißen Ratte. Von Ludwig Reisinger, Assistent an der Lehrkanzel für Histologie und Embryo- logie der Tierärztlichen Hochschule zu Wien. (Leiter: Prof. Dr. J. Fiebiger.) (Mit 4 Figuren.)

eingeg. 24. Mai 1915.

Gleichwie das Kaninchen und die Hausmaus, weist auch die Ratte eine albinotische Varietät auf, welche sich außer durch das rein weiß gefärbte Fell durch leuchtend rote Augen auszeichnet. Wie bekannt, verdanken die albinotischen Augen dem durchschimmernden Blut ihre eigenartige Färbung, ein Umstand, der aus dem histologischen Aufbau des Auges, wie er nachfolgend geschildert werden soll, zu erklären ist. Nach dem Tode des Tieres verlieren mit dem Stillstand der Blutcircu- lation die kleinerbsengroßen Augen ihre leuchtende Beschaffenheit, sie nehmen einen mehr ins Gelbe spielenden Ton an. Das dem Kadaver entnommene Auge erweist sich als vollkommen kugelig, im Gegensatz zu den Augen andrer Säuger, welchen die Cornea kalottenförmig auf- sitzt. Während weiter die Sclerotica der Tiere und des Menschen von weißlicher oder bräunlicher Farbe ist, zeigt die weiße Augenhaut der Ratte diese Eigenschaft nicht, sie ist vielmehr, ebenso wie das ganze Auge, durchscheinend, farblos. Der Mangel der Irispigmentation ist schon mit freiem Auge erkennbar, die Iris bildet um die Pupille einen

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schmalen, farblosen Ring. Um das Auge der mikroskopischen Unter- suchung unterziehen zu können, wurde nach Ellenberger-Günthers Vorschrift in Müllerscher Flüssigkeit fixiert, in steigendem Alkohol gehärtet, dann in Celloidin eingebettet und das so vorbehandelte Mate- rial mit dem Mikrotom in 10—15 « dicke Schnitte zerlegt, welche mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt wurden.

Die histologische Untersuchung der Sclera ergab keine Besonder- heiten (Fig. 3). Sie ist ziemlich breit und besteht aus fibrösem Binde- sewebe, dessen dichte Fasern einander vielfach durchkreuzen und ver- flechten, ein Befund, wie er von Ellenberger und von Schumacher auch für die Haustiere, von Krause für den Menschen geschildert

Fig. 1. Schnitt durch den Bulbus der weißen Ratte. 15 fache lineare, im übrigen kombinierte Vergr. a, Sclera; 6, Chorioidea; c, Retina; d, Epithel der Cornea; e, Stratum proprium der Cornea; f, Endothel der Cornea; g, Corpus ciliare; h, Iris.

wird. Die Cornea zeigte die 5 Schichten deutlich, das Corneaepithel besteht aus einem sechsschichtigen Pflasterepithel (Fig. 1). Die Sub- stantia propria besteht wie bei allen Tieren aus parallel gelagerten Lamellen, das Endothel ist deutlich sichtbar und wird von einer ein- fachen Lage platter Zellen gebildet. Ein wesentliches Merkmal des albinotischen Rattenauges ist in der Beschaffenheit der Chorioidea ge- geben. Während diese beim Menschen und den Haustieren ziemliche Breite aufweist, erreicht sie bei der weißen Ratte nur 1/; der Breite der Sclera, welcher sie eng anliegt. Die Lamina suprachorioidea führt bei sämtlichen Haustieren Pigmentzellen, die dem Rattenauge gänzlich fehlen (Fig. 2). Daher vermißt man im histologischen Bilde desselben den für das Auge andrer Tiere typischen schwarzbraunen Streifen, der

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der Sclera nach innen anliegt. Diese Pigmentation setzt sich auf die Innenfläche der Iris fort, dieser ihre charakteristische Farbe verleihend. Das albinotische iii ist also durchsichtig, da ihm die Irispig- mentation mangelt, daher das durch die Iris schimmernde Blut der . Gefäße der Chorioidea das Auge rot erscheinen läßt. Während die Iris am senkrechten Schnitt durch das Auge gewöhnlich Keilform (mit der Spitze zur Pupille gerichtet) aufweist, ist sie beim Rattenauge nur als schmaler Streifen feststellbar (Fig. 1). Der ebenfalls pigmentlose Ciliarkörper der weißen Ratte ist sehr schwach entwickelt, ein Befund, der auf die geringe Accommodationsfähigkeit des Auges uri läßt. Die Retina (Fig. 3), die bei andern Tieren (so etwa bei der Katze) höchstens so breit wie die Sclera ist, fällt am Auge der weißen Ratte durch ihre Mächtigkeit auf; ist sie doch bedeutend breiter als Sclera

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Fig. 2. a. Pigmentzellen der Lamina suprachorioidea des Pferdes. Vergr. 150fach. (Nach Ellenberger-v. Schumacher.) b. Zellen der L. suprachorioidea der weißen Ratte (pigmentlos) etwa 400 fach vergr.

Fig. 3. Schnitt durch die Wand des Bulbus der weißen Ratte. Vergr. 75fach. a, Sclera; b, Chorioidea; c, Stäbchen- und Zapfenschicht; d, äußere Körnerschicht; e, äußere plexiforme und Henlesche Faserschicht; f, innere Körnerschicht; 9, innere plexiforme Schicht; h, Ganglienzellschicht; 7, Nervenfaserschicht. und Chorioidea zusammen, stellenweise sogar doppelt so breit wie diese Schichten. Die Stäbchen- und Zapfenschicht ist ziemlich hoch, doch nicht differenziert; man kann die einzelnen Elemente nicht so klar unter- scheiden, wie an der Netzhaut andrer Säuger. Die an die Stäbchen- und Zapfenschicht anschließende äußere Körnerschicht ist sehr breit, die »Körner« färben sich intensiv mit Hamatoxylin. Während die innere Begrenzung dieser Schicht in nahezu gleichmäßigem Bogen ver- läuft, zeichnet sich die äußere Grenze (gegen die Stäbchen- und Zapfen- schicht) durch ihre meist unregelmäßige, buchtige und zackige Kontur aus. Die äußere plexiforme und Henlesche Faserschicht ist schmal, zeigt jedoch sonst keine Besonderheiten im Bau. Die innere Körner- schicht stellt einen gleichmäßig verlaufenden Streifen dar, ohne durch Eigenheiten, wie sie bei der äußeren Körnerschicht Erwähnung fanden,

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aufzufallen. Zum Unterschied von der äuBeren plexiformen, ist die innere plexiforme Schicht stark entwickelt. Die anschließende Ganglien- zellschicht ist stellenweise zweireihig, die Nervenfaserschicht äußerst schmal entwickelt. Das Pigmentepithel der Retina, das der Stäbchen- und Zapfenschicht außen anliegt, ist am Schnitt durch das albinotische Rattenauge nicht wahrnehmbar, da ebenso wie in der Lam. suprachori- oidea und Iris kein Pigment vorhanden ist. Am auffallendsten am Rattenauge ist die Linse; diese ist vollständig kugelig und erinnert in ihrer Form an die Linse der Fische, wie sie Franz in seinem Werke beschreibt und abbildet. Sie ist deutlich konzentrisch geschichtet und nimmt 2/, des Augeninnern ein. Um den Unterschied zwischen der Linse der Ratte und der der Haussäuger zu zeigen, habe ich einige Linsenlängsschnitte in Fig. 4 zusammengestellt.

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Fig. 4. Form der Augenlinse von a. weißer Ratte, b. Hund, c. Ziege. a u. b 6 X ver- größert, eigne Beobachtung. c. 3 X vergr. nach Zietzschmann.

Soweit auf Grund des histologischen Befundes ein Urteil über die Sehschärfe des Auges der Rattenalbinos abgegeben werden kann, muß diese als sehr gering bewertet werden. Da die pigmentlose Iris ihren Zweck verfehlt, das heißt die Randstrahlen nicht abblendet, so muß dem Rattenauge jeder Gegenstand verschwommen konturiert und flächenhaft erscheinen. Weiter bedingt die kugelige Linse Kurzsichtig- keit, wie sie Lubosch für das ebenfalls mit Kugellinse versehene Fisch- auge schildert. Die schwache Entwicklung des Oiliarkörpers erlaubt auch keine weitgehende Accommodation der Linse, wie es nötig wäre, um die durch die Linsenform bedingte Kurzsichtigkeit einigermaßen zu kompensieren. Mit dieser Annahme der geringen Sehschärfe des Rattenauges stimmt auch das Verhalten des Tieres überein. Flüchtende Ratten (es gilt dies auch für die andern Vertreter der Gattung Mus) werden einen im Wege stehenden Gegenstand erst gewahr, wenn sie unmittelbar vor demselben stehen, im Gegensatz zu fliehenden Tieren mit großer Sehschärfe (etwa der Katze), die bereits von vornherein den

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das Hindernis umgehenden Weg einschlagen. Als Ersatz fiir die fehlende Sehschärfe ist bei der Ratte das Geruchsvermögen sehr gut entwickelt, daher diese feinnasigen Tiere, wenn sie ungestört sind, unter langsamen, stückweisen Bewegungen alles beschnuppern, auf welche Weise ihnen auch einigermaßen Raumorientierung (durch Geruchs- wahrnehmung eines Gegenstandes auf Distanz) möglich wird.

Literatur.

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Ellenberger-Günther, Grundriß der vergleichenden Histologie der Haus- säugetiere. 1908.

2) Ellenberger-S. v. Schuhmacher, Grundriß der vergl. Histologie der Haus-

säugetiere. 1914.

3) Zietzschmann, Das Sehorgan (in: Ellenberger, Handb. d. vergl. mikrosk.

Anatomie der Haustiere. Bd. 1. 1906).

4) Krause, Kursus der normalen Histologie. 1911.

5) Sobotta, Atlas und Lehrbuch der Histologie und mikrosk. Anatomie des

Menschen. 1911. 6) Franz, Sehorgan (7. Band des Lehrbuches d. vergl. mikrosk. Anatomie der | Wirbeltiere, herausgegeben von Prof. Dr. A. Oppel). 1913. : 7) Lubosch, Vergleichende Anatomie der Sinnesorgane der Wirbeltiere. 1910.

2. Die Männchen der Kiefenfüße. Von F. Braem. eingeg. 5. Juni 1915.

Mit großer Konsequenz werden in den dieses Thema betreffenden Arbeiten meine »Bemerkungen über die Gattung Apus« (Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 56, 1893) ignoriert, wie mir ein im Zool. Anz. (Bd. 45, 1915, S. 260ff.) erschienener Artikel von E. Hesse soeben wieder zu Gemüt führt. Ich darf annehmen, daß dieses Übersehen ohne Absicht geschehen ist. Da es aber in der Wirkung einem Totschweigen gleich- kommt, und ich fürchten muß, daß meine Arbeit auch künftig als nicht vorhanden betrachtet wird, so möchte ich dem durch einen Hinweis auf die an leicht zugänglicher Stelle erschienene Untersuchung nach Mög- lichkeit vorbeugen. Ich habe dort mitgeteilt, daß die Männchen bei Apus cancriformis zuweilen außerordentlich häufig sind, und daß sie bei andern Vertretern der cancriformis-Gruppe, wie A. numidicus und sudanicus, sogar regelmäßig in gleicher oder noch größerer Zahl als die Weibchen vorzukommen scheinen. Von dem typischen Apus (Lepidurus) productus habe ich unter 35 im Mai 1867 bei Breslau gesammelten Exemplaren 3 Männchen nachgewiesen, und ich kann hinzufügen, daß ich am 27. April 1895 auf dem damals noch unbebauten Teile der » Vieh- weide«, des einstigen Hauptfundplatzes dieser Tiere bei Breslau, unter 45 Exemplaren 1 Männchen fand. Ich habe ferner gezeigt, daß der Lubbocksche A. productus aus Rouen, den übrigens schon F. Brauer

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von dem typischen productus artlich getrennt hat, zu einer Art ich nannte sie À. extensus oder einer Artengruppe gehört, deren Mit- glieder sich durch eine erheblich größere Schwanzlamelle und ein kon- stant häufigeres Vorkommen der Männchen von dem in Deutschland und Osterreich verbreiteten A. productus sowie von dem arktischen A. glacialis unterscheiden.

Zusatz vom 3. August. Wie Herr Geheimrat Korschelt mir freundlichst mitteilt, ist der vorstehende Artikel aus technischen Grün- den rein zufällig hinter den später eingegangenen Hesseschen Aufsatz (am Ende des vorigen Bandes) zurückgestellt worden.

3. Über das System der Anthozoa und einige allgemeine Fragen der zoologischen Systematik. Von Dr. Franz Poche, Wien. (Mit 1 Figur.) eingeg. 6. Juni 1915.

Die jiingste Arbeit Pax’ (1915) ist ausdrücklich der Besprechung einer Publikation von mir (1914c) gewidmet. Ich darf und muß daher auch seine einleitenden Ausführungen, wenngleich er darin diese nicht anführt, als sich auch auf sie beziehend betrachten.

Daß die Nomenklatur »jeden Fortschritt« der Systematik zu ver- hindern droht, muß bei aller Anerkennung der schweren Übelstände, auf jenem Gebiete als eine Übertreibung bezeichnet werden. Wen meiner auf sorgfältige Verfolgung des ganzen Gegenstandes gegrün- deten Überzeugung nach die Hauptschuld an diesen trifft, geht aus früheren Arbeiten von mir wohl zur Genüge hervor (s. insbesondere 1912b; 1914a; 1914b, 8. 45). Jeder Berechtigung entbehrend istesaber, wenn Pax auf meine gedachte Publikation hin mich den Autoren zurechnet, die bei der Bearbeitung einer Gruppe »das Auf- spüren alter, im wissenschaftlichen Verkehr nie gebrauchter Namen fast gewerbsmäßig betreibene. Denn ich habe op. c. nicht nur keinen einzigen solchen Namen »aufgespürt«, i. e. zuerst wieder gebraucht (die von Pax weiterhin angeführten solchen Fälle sind sämtlich unzutreffend s. unten), sondern im Gegenteil was Pax freilich nicht wissen konnte absichtlich eine Reihe von Ände- rungen alteingebürgerter Gattungsnamen unterlassen, die durch das Prioritätsgesetz geboten gewesen wären, aber sehr störende Namensänderungen höherer Einheiten mit sich gebracht hätten!.

1 So war mir sehr wohl bekannt, daß der ganz aus der Nomenklatur ver- schwundene Name Medusa L. für eine der ursprünglich darunter begriffenen Formen

und für Umbellula aut. der ältere Name Ombellula Cuv. verfügbar und Edwardsia Qtrf. durch Edwardsia O. Costa präokkupiert ist.

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Und auch sonst war ich seit Jahren inimmer steigendem MaBe bestrebt, womöglich allgemein gebräuchliche Namen zu er- halten, bzw. Namensänderungen zu verhindern (s. z. B. Poche, 1907b; 1908, S. 128; 1909; 1912b, speziell 8. 53f., 69, 84f.; 1914a, S. 3—5, 8, 13—15, 19f.). Freilich ist das wohl ungleich weniger bekannt geworden als diese und jene von mir gemäß den Vorschriften der (nicht von mir geschaffenen) Regeln vorgenommene Namens- änderung.

Die weiteren Darlegungen Pax’, wonach die Spezialforscher in der Systematik der Hexacorallien Erörterungen über die Gültigkeit mancher altbekannter Gattungsnamen »nach Möglichkeit vermieden«, sind zum mindesten insoweit unzutreffend, als sie (wie es unverkennbar der Fall ist) auf einen Gegensatz gegenüber meiner Publikation hinweisen sollen. Denn ganz abgesehen davon, daß ich nach Möglichkeit dasselbe getan habe (s. Fußnote 1), war die Gültigkeit jedes solchen von mir als ungültig betrachteten Namens bereits von einem oder mehr Hexacoral- liensystematikern mit verneinendem Ergebnis erörtert worden (s. unten). Sehr übertrieben ist Pax’ Behauptung, daß die älteren Beschrei- bungen »fast niemals eindeutig, meistens sogar so ungenau sind, daß sich nicht mehr entscheiden läßt, ob dem Autor überhaupt eine Hexa- corallie vorgelegen hate. Damit wird eo ipso auch seiner daran ge- knüpften Folgerung, daß »das Ergebnis derartiger nomenklatorischer Studien nur darin bestehen [konnte], daß an die Stelle der bisherigen Sicherheit auf systematischem Gebiete [war diese wirklich immer so sroß?] eine zu den schlimmsten Irrtümern führende Unsicherheit trat<, der Boden entzogen. Und tatsächlich besteht nach Pax’ eigner Dar- stellung unter allen von mir angewandten und von ihm verworfenen der- artigen Namen in einem einzigen Falle [in Wirklichkeit aber auch nicht in diesem] eine Unsicherheit infolge der Unzulänglichkeit einer »älteren« Beschreibung (ex 1858) (s. unten). Den von Pax ohne wei- teres mir (1907a) zugeschriebenen Nachweis, daß nach dem Prioritäts- gesetz der Name Actinia einer Seewalze und nicht einer Seeanemone zukommt, hat bereits (allerdings ohne die Anderung vorzunehmen) der Spezialforscher Bell geführt, wie ich sowohl t. c., S. 109 als 1914c, S. 92 ausdrücklich angab. Und Pax selbst gebraucht 1910, S. 169f., 283 usw. für letztere den Namen Priapus, und Priapidae für die Familie die (wenigstens derzeitige) Notwendigkeit hierfür so wie ich (t. c., p. 98) sehr bedauernd. Wenn er also jetzt in diesem letzteren sowie in den korrespondierenden Namen höherer Gruppen »eine unerfreuliche Vermehrung des systematischen Ballastes« erblickt, so kann ich nur erwidern, daß ich bei der Benennung der Einheiten doch unmöglich das jeweilige subjektive Ermessen Pax’ (das sich in der vorliegenden Frage

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innerhalb 7 Jahren zweimal geändert hat) zugrunde legen kann. Immer- hin erkennt aber Pax auch jetzt an, daß sich die Einführung jener Namen durch das Prioritätsprinzip begriinden lift. Dagegen erklärt er kategorisch, dafi mein Ersatz des Namens Stichodactylinae durch Stoichactinoidae »jeder Berechtigung« entbehrt. Ich muß gestehen, daß mir dies völlig unverständlich ist angesichts der Tatsache, daß Pax selbst unmittelbar danach es nicht nur »vorzieht«, Arachnactinidae, bzw. Arachnactidae durch den neuen Namen Arachnanthidae zu er- setzen, sondern auch für Dendrobrachiinea den neuen Namen Holo- dactyla einführt (s. unten). Denn entweder betrachtet man das Priori- tätsgesetz als auch für die Namen supergenerischer Einheiten geltend, oder nicht. Im ersteren Fall sind natürlich diese Paxschen Namens- änderungen, im letzteren ist seine dezidierte Verurteilung jener von mir vorgenommenen gänzlich unberechtigt. Und im speziellen war eine Anderung des Namens Stichodactylinae deshalb erforderlich, weil nach den Nomenklaturregeln (und dem allgemein herrschenden Gebrauche) vermittels der Endung inae die Namen der Unterfamilien gebildet werden, während es sich hier um eine der Familie übergeordnete Ein- heit handelt2.

Meine Ersetzung des Namens Oculinidae durch Madreporidae führt Pax auf meine »unglückliche Absicht« zurück, »die Bezeichnungen der höheren systematischen Kategorien im Tierreiche unter allen Umständen von dem Namen der typischen Familie abzuleitene. In seiner Zurück- weisung einer solchen Absicht stimme ich Pax voll und ganz bei, verwahre mich aber zugleich sehr dagegen, daß er mir diese imputiert. Denn ich habe in meiner Arbeit nicht nur selbst wieder- holt nicht so gebildete Namen gebraucht, sondern auch ausdrücklich (S. 49) betreffs der Benennung der höheren Gruppen auf eine frühere Arbeit (1912a) verwiesen, in der ich mich mit aller Entschiedenheit gegen einen etwaigen solchen Plan ausgesprochen und zugleich darge- legt hatte, wann die Einführung so [oder richtiger gesagt: von dem einer typischen Gattung oder höheren Gruppe (s. t. c., S. 843 f.)] ge- bildeter Namen zweckmäßig ist. Ich habe dies kürzlich hier (1915, S. 514f.) desnäheren ausgeführt (s. auch unten). Zudem hat Pax meine Begründung für jene Namensänderung völlig mißverstanden. Der ge- dachte Gesichtspunkt kam hierbei überhaupt nicht in Betracht, da ja der Name der betreffenden höheren Gruppe, Madreporinei, auf jeden

2 In den Regeln wird allerdings, wie so vieles andre (s. z. B. Poche, 1912b, S. 83f.) auch das nicht ausgesprochen, daß die Endung inae nur für Unter- familien zu verwenden ist; doch ist dies wohl zweifellos beabsichtigt, zumal da man sonst den großen Vorteil verlieren würde, aus dem Namen sofort den Rang der Gruppe zu erkennen. Präzise als Vorschrift ausgesprochen wurde es schon von Maehrenthal, 1904, S. 106; cf. Poche, 1912a, S. 842 f.

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Fall von dem ihrer typischen Gattung Madrepora gebildet war, bzw. gebildet werden konnte. Vielmehr lag die Sache so: Die typische Gat- tung der ganzen Gruppe ist Madrepora L. Die typische Familie der Gruppe ist natürlich jene, die deren typische Gattung enthält. Dies sind nunmehr, wie ja auch Pax anerkennt, die bisher so genannten Oculinidae. Wird die Familie so genannt, so ist natiirlich ihre typische Gattung Oculina. Es wäre also das typische Genus der ganzen Gruppe der Steinkorallen nicht auch jenes ihrer typischen Familie, was mit dem Begriff von »typisch« ganz unvereinbar ist. Nennt man aber die Fa- milie, wieich es tat, Madreporidae, so wird dadurch eben Madrepora auch zu ihrer typischen Gattung, womit jenes Mißverhältnis beseitigt ist. Auch meine übrigen Namensänderungen scheinen Pax »nur zum kleinsten Teile berechtigt zu sein. Was meinen Ersatz von Aconti- feridae durch Arachnactinidae betrifft, so decken sich »die Arachnacti- den McMurrichs durchaus nicht mit den Acontiferiden Carlgrense. »Ich ziehe es daher vor, die Bezeichnung Arachnanthidae anzu- wenden, da Carlgren selbst als Typus seiner Familie die Gattung Arachnanthus betrachtet.« Letzteres ist eine ganz willkürliche Be- hauptung. (Daß Carlgren [1912, S. 27] nur Arachnanthus anführt, spricht keineswegs etwa für sie; er beschreibt eben nur in diesem Genus eine neue Art. S. auch id., S. 38, Fußnote.) Und eine Anderung des Umfanges einer Familie ist doch kein Grund zur Änderung ihres Na- mens wohin würde das führen! »Ferner will Poche unter Berufung auf die absolute Priorität Phyllactis durch Actinostella, Phymanthus durch Epieystis, Gerardia durch Savalia ersetzen. Hier liegen die Ver- hältnisse ebenso wie bei Actinia....« In Wirklichkeit rührt die Ersetzung keines jener Namen von mir her, sondern die erste von McMurrich, die zweite von ihm und von Verrill worauf ich hier wie dort ausdrücklich hingewiesen hatte —, die dritte bekanntlich schon von Brook (der, wie auch Bourne und van Pesch [1914, S. 9], die Form Savaglia gebraucht), also sämtlich von Spezialforschern3. Und wenn ich vielleicht das Recht hatte, von den Regeln verlangte neue Namensänderungen nicht vorzunehmen (s. oben), so hatte ich gewiß kein Recht, von andern Autoren vorgenommene, nomenklatorisch gebotene Namensänderungen wieder umzustoßen. Ich muß es ent- schieden zurückweisen, daß Pax dergestalt von andern Au- toren vorgenommene unbequeme Namensänderungen, die ich

3 Und lediglich behufs Vermeidung von Tautonymie nahm Bell (1891, S. 90f.) wieder den Namen Gerardia auf, was zwar nach dem Stricklandian Code geboten war, nach den Internationalen Regeln aber nicht statthaft ist. Da also die Gattung bald mit diesem, bald (so auch von Nardo, 1877, S. 675) mit jenem Namen bezeich- net wurde, so ist dies zudem gerade ein Fall, der auch im Sinne Brauers nach dem Prioritätsgesetz zu entscheiden ist.

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einfach (zum Teil mit einschlägigen Bemerkungen) acceptiert hatte, ausdrücklich mir zuschreibt und dann darauf hin noch schwere Vorwürfe gegen mich erhebt (s. das eingangs Gesagte). »Für durchaus unbegründet« hält Pax auf S. 324 die »Einführung« des Namens Sidi- sia für Epizoanthus. 8. 325 aber sagt er: Solange der Beweis, daß Sidisia barleei nur eine Varietät von Epixoanthus incrustatus ist, »der sich nur auf die anatomische Prüfung des Grayschen Originalexemplars stützen kann, nicht geglückt ist, halte ich die von Poche für notwendig erklärte Namensänderung mindestens für verfrüht«. Auch diese Ände- rung habe nicht ich vorgeschlagen, wie es nach Pax’ Darstellung, ins- besondere in Anbetracht ihres Zusammenhanges, zum mindesten sehr leicht scheinen könnte, sondern Lwowsky, der Monograph des Ge- nus. Und Pax selbst hat sie noch 1914, S. 610 nach der Motivierung, mit der er sie damals ablehnte, ganz offenbar als sachlich berechtigt betrachtet. Für ihre Berechtigung ist auch keineswegs der Beweis er- forderlich, daß Sidisia barleei nur eine Varietàt von Epixoanthus in- crustatus ist, sondern nur der, daß sie kongenerisch mit diesem ist; und wenigstensdas haben die speziell auch die Anatomie berücksichtigen- den Untersuchungen von Haddon und Shackleton doch zweifellos festgestellt. Im übrigen kann sich aber auch der erstere Beweis durch- aus nicht »nur auf die anatomische Priifung« des Originalexemplars stützen. Ich brauche wohl nicht darzulegen, wie viele mit aller wün- schenswerten Sicherheit feststehende Identifizierungen ohne eine solche vorgenommen worden sind; und gleich darauf (s. unten sub Bergia) be- ruft sich Pax selbst gegen mich auf einen »Nachweis« der Identitàt zweier Species, wo keine solche Prüfung stattgefunden und zudem der betreffende Autor diese Identitàt überhaupt keineswegs als sicher hin- gestellt hatte. Die Verschiedenheit des Maßes, mit dem Pax in diesen beiden Fallen mißt, bleibe unerörtert. Wenn also Pax mit der Spitze unverkennbar gegen mich sagt: Gerade der Fall von Sidisia beweist deutlich, daß die Entscheidung wichtiger nomenklatorischer Fragen nur in die Hand von Spezialisten gelegt werden sollte, »deren Urteil sich nicht allein auf Literaturstudien, sondern vor allem auch auf eine umfassende Kenntnis der Tiere selbst stützt«, so ist dieser »Be- weis« in doppelter Hinsicht gänzlich mißlungen. Im übrigen verweise ich auf das unlängst hier (1915, S. 512f.) von mir Dargelegte.

4 Ich stehe also prinzipiell wie Pax durchaus auf dem Standpunkt, daß ein in Gebrauch stehender Name nicht durch einen älteren ersetzt werden darf, solange nicht erwiesen ist, daß letzterer sich auf dieselbe Einheit bezieht. Stiles vertritt freilich eine Auffassung und hat sie auch in seiner Kommission durchgesetzt (1912, S. 106), wonach jede solche Namensänderung angenommen werden müsse, bis ihre Unrichtigkeit erwiesen ist; ich lehne aber eine solche Ansicht aus theoretischen wie aus praktischen Gründen durchaus ab.

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Die zahlreichen Familiennamen, die Pax selbst (S. 324 u. 326) als un- richtig anerkennt und die sämtlich von Spezialisten eingeführt und kritiklos fast oder ganz allgemein weiter gebraucht wurden und die zum überwiegenden Teil erst ich richtig gestellt habe (s. auch unten), liefern eine schlagende Illustration zu dem dort sub 5) und 6) Gesagten. Unzutreffend ist auch Pax’ Ansicht, daß durch meine Ausfüh- rungen die alte Streitfrage aufgeworfen wird, ob Korrekturen von Namen zulässig sind. Seinen allgemeinen [ihrem Resultat nach schon längst in die Regeln übergegangenen] Darlegungen gegen solche stimme ich vollkommen bei (s. z. B. Poche, 1914b, S. 16 u. 22f.), ja bin hierin so- gar noch wesentlich strenger als er, indem ich z. B. die Änderungen in Actinioides und Protopolythoa für ganz unstatthaft halte. Aber alles das gilt eben ausschließlich für die dem Prioritätsgesetz unterworfenen (bzw. eventuell autoritativ als nomina conservanda festgesetzten) Gat- tungs- und Artnamen und kann absolut nicht, wie Pax es tut, auf die Bildung der Familiennamen angewandt werden. Denn diese werden nicht von dem notwendigerweise blinden Prioritätsgesetz bestimmt, son- dern nach den Grundsätzen einer ungleich höher stehenden rationellen (i. e. sachlich begründeten) Nomenklatur gebildet, und zwar, wie Pax richtig angibt, durch Anfügung der Endung idae an den Stamm des Namens der typischen Gattung. Dagegen »haben die Ac- tinienforscher leider wiederholt verstoßen, indem sie ... den Nominativ zum Ausgangspunkt der neuen Wortbildung wählten. Hier liegt in der Tat ein grober grammatischer Fehler vor, und man wird zugeben müssen, daß« Namen wie Halcampactidae, . .. Discosomidae das Sprachgefühl be- leidigen. » Trotzdem halte ich den Vorschlag Poches, diesen Familien- namen eine grammatikalisch einwandfreie Form zu geben, für nicht un- bedenklich, weil dadurch das Wortbild wesentlich verändert wird.« In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber nicht um einen grammatika- lischen Fehler die Grammatik bestimmt ja nichts darüber, ob Fami- liennamen vom Stamm oder aber von der Nominativform zu bilden sind —, sondern um einen solchen gegen die nomenklatorische Vor- schrift über die Bildung der Familiennamen. Und dieser ist selbst- verständlich zu beseitigen; sonst wäre ja die betreffende Bestim- mung keine Regel, sondern nur ein Ratschlag. Und da Pax selbst oben gegebenenfalls sogar die Ersetzung von gegen diese Bestimmung verstoßenden Namen durch völlig abweichende durchaus billigt, so liegt wohl keinerlei Grund vor, sich über ungleich weniger weitgehende durch sie gebotene Änderungen Bedenken zu machen. Das gegen- teilige Verfahren hätte auch praktisch sehr nachteilige Folgen. Zunächst würde es erfahrungsgemäß nur zu leicht dahin führen, daß weitere Familiennamen in analoger, anerkanntermaßen unrichtiger

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Weise gebildet werden. Ferner wäre es dann sehr schwer, innerhalb eines weiteren Gebietes sogar fast unmöglich, sich zu merken, von wel- chen Familien die Namen so und von welchen sie richtig gebildet sind, so daß man meist in Ungewißheit wäre, wie eine solche Familie eigentlich heißt. »Nimmt man aber Poches Vorschlag an, dann ist es vom Standpunkt des Zoologen aus nur gerecht, als Autor einer Familie den Namen des Forschers anzugeben, der sie aufgestellt hat, und nicht wie Poche den Namen desjenigen, der an der Familienbe- zeichnung eine philologische Korrektur angebracht hat.« Dagegen ist zunächst zu bemerken, daß es sich dabei, wie wir eben sahen, nicht um eine philologische Korrektur, sondern um die Beseitigung eines nomen- klatorischen Fehlers, nämlich um die Ersetzung eines für die Familie nicht verfügbaren Namens durch einen für sie verfügbaren handelt. Trotzdem verkenne ich keineswegs, daß der von mir und andern Autoren (z. B. von Maehrenthal in seinem trefflichen Entwurf, 1904, S. 126f.) eingenommene Standpunkt hart scheint, muß aber gleich- wohl daran festhalten. Denn vor allem bedeutet ja der Autorname nicht, daß der Betreffende der Autor der Einheit, sondern nur, daß er der Autor des betreffenden Namens ist, und stellt lediglich einen abgekürzten bibliographischen Hinweis auf letzteren dar. Es wäre da- her direkt unrichtig, einen solchen auf eine Stelle zu geben, wo sich dieser Name nicht findet (sondern nur ein ihm mehr oder weniger ähnlicher, von dem Pax in den uns hier beschäftigenden Fällen selbst betont, daß »das Wortbild wesentlich verändert« ist. Auch würde es zu endlosen Schwierigkeiten und Meinungsver- schiedenheiten führen, zu entscheiden, wie weit man hierin gehen soll”. Und überdies wird jenes exaktere Verfahren jedenfalls dazu beitragen, die Autoren bei der Einführung neuer Familiennamen an die Befolgung der angeführten einschlägigen Bestimmung zu ge- wöhnen, was ja auch Pax ganz offenbar als wünschenswert betrachtet.

»Noch größere Bedenken als die nomenklatorischen Neuerungen Poches müssen seine Anschauungen über die Klassifikation der Hexacorallien erregen.« Vor allem wendet sich Pax gegen meine Einbeziehung der Zoanthidei in die Ordnung Priapidea. Zu seinem

5 So wurden bisweilen bei der Bildung von Familiennamen ganz willkürliche Kürzungen an dem der typischen Gattung vorgenommen (Haeckelhatz.B. von Hi- lipsidium Ellipsida statt Ellipsidiidae und von Tympanidium Tympanida statt Tympa- nidiidae gebildet). Oft wurden dabei andre Suffixe als idae gebraucht, so ida, inae (z. B. prinzipiell von Delage Herouard), ina, ini, ineae, adae, aceae, acea, acei, ariae, ei, eae, ea, odea, oidea, oides, oidae, ia, alia usw. Und noch weit größere Ver- schiedenheiten finden wir bekanntlich unter den von einem und demselben Gat- tungsnamen abgeleiteten Namen höherer Gruppen, wobei überdies der Rang und der Umfang dieser teils derselbe, teils ein verschiedener ist.

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Hinweis, daB wie er (1914) auch Duerden, Hickson und Carlgren jene als eine eigne Ordnung bewerten, ist zu bemerken, daß Carlgren sie genau so wie ich mit den Priapinei und Madreporinei zu einer höheren Abteilung vereinigt, nur daß er dieser Unterklassen- statt wie | ich Ordnungsrang gibt (s. unten). In seiner Begriindung seiner An- sicht laBt Pax alle meine einschlägigen, speziell auf seine gedachte Arbeit bezugnehmenden Darlegungen völlig unberücksichtigt. Ich hatte selbst betont, daß zwischen den Zoanthidei und den Priapinei »sehr beträchtliche Unterschiede bestehen « was Pax nun des näheren ausführt —, und dem ausdrücklich dadurch Rechnung getragen, daß ich sie in verschiedene Supersubordines stellte. Zu Pax’ Ausführungen bemerke ich ferner, daß ich hierbei auf das Fehlen von oft mit Nessel- organen vergesellschafteten Anhängen der Leibeswand bei den Zoan- thidei keinerlei Gewicht legen kann, da solche ja auch sehr vielen Pria- pinei fehlen, die trotzdem allgemein in die nahe Verwandtschaft von Formen gestellt werden, die solche besitzen. Auch gibt es eben eine ganze Anzahl Seeanemonen, bei denen ein größerer oder geringerer Teil der Septenpaare aus ungleichen Septen besteht, so die Gonactinii- dae, Oractis, Pentactinia, Thalassianthus aster; und oft ist dies der Fall bei den Paractinidae. Und anderseits weisen bekanntlich auch bei den Zoanthidei niemals alle Septenpaare Anisocnemie auf. Und wenn Pax weiter auf das »komplizierte Kanalsystem in der Mesoglöa der Zoantharien« Gewicht lest, so ist zu erwidern, daß, wie Carlgren, bzw. - Lwowsky gezeigt haben, solche Kanäle bei dem Zoanthideen Sidisia patagonicha ganz und bei S. indica fast ganz fehlen. Und selbstver- ständlich muß man bei der Abwägung des Unterschiedes zwischen zwei Gruppen den, der zwischen den einander nächststehenden, und nicht etwa jenen, der zwischen den extremsten, vonein- ander am meisten abweichenden Formen der einen und der andern besteht, zugrunde legen. Ferner hatte ich erklärt: Be- treffs der beiden Gruppen der Zoanthideen und Seerosen wird man »wohl nicht ernstlich bestreiten können, daß sie einander näher stehen als eine von ihnen irgendeiner anderen [von mir unterschiedenen | Ord- nung der Anthoxoa;, und eben dies wird ja durch ihre Vereinigung in eine solche zum Ausdruck gebracht.« Und dieser Überzeugung geben auch van Beneden, Roule (1905, S. 48 f. u. 52), Carlgren und Me Murrich in ihren Systemen Ausdruck. Sollte Pax jenes Verhältnis "bestreiten, dann ist es folgerichtig, wenn er die Zoanthideen als eine eigne Ordnung betrachtet; erkennt er es aber an und gibt ihnen dennoch diesen Rang, so bringt sein System eben ein anerkanntes Verwandt- schaftsverhältnis nicht zum Ausdruck. Und der adäquate Ausdruck dieser Verhältnisse ist unbestreitbar von noch größerer Wichtigkeit als

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der den einzelnen Einheiten gegebene absolute Rang. Weil Pax 1914 (ohne die jetzige Hervorhebung) sagte: »Actiniaceen, Zoanthaceen und Cerianthaceen haben so wenige Charaktere gemeinsam, daf es bisher niemand gelungen ist, für sie eine gemeinschaftliche Diagnose zu finden «, so meint er nun: » Wer es daher unternimmt, diese Tiergruppen wieder in einer Ordnung zu verschmelzen, muß zunächst durch eine einwandfreie Diagnose meine Behauptung widerlegen.« Auch ich glaube nicht, daß sich eine gemeinsame Diagnose für jene 3 Gruppen finden läßt, brauche aber auch von vornherein keine zu geben, da ich eine solche Verschmelzung nicht vorgenommen, sondern die Sonderstellung der Cerianthidea ausdrücklich anerkannt habe. Und was die beiden andern Gruppen allein (einschl. der Madreporinei) betrifft, so hat schon Carl- gren, 1908, S. 153 eine gemeinsame Diagnose für sie gegeben. Und ich hatte, was nach Pax’ Darstellung wohl niemand annehmen würde, ausdrücklich angegeben, auf welche speziellen Charaktere ich ihre Ver- einigung in eine Ordnung insbesondere gründe. Wenn Pax mir dann gar die »Aufstellung neuer ,Supersuperordines‘, ‚Superordines‘, ‚Subsuperordines‘, ‚Supersubordines‘ usw. ohne überzeugende Defini- tionen« imputiert, so konstatiereich, daß ich in der ganzen Ar- beit keine einzige neue Gruppe dieser Rangstufen aufgestellt habe®. Ferner betone ich, daß es sich hier doch nur darum handelt, ob die Vereinigung der Zoanthideen und Seeanemonen in eine Ordnung berechtigt ist, wobei die Definition der Unterabteilungen dieser überhaupt keine Rolle spielt (und daß die Ordnung von mir neu auf- gestellt wäre, behauptet auch Pax nicht). Im übrigen ist das, wor- auf es ankommt, doch, daß eine solche Vereinigung begründet wird; ob dies nun durch eine Diagnose der Gruppe oder in andrer Form ge- schieht, ist an sich recht nebensächlich. Eine andre Form ist aber in Fällen wo, wie hier, die hervorstechendsten für die Vereinigung maß- gebenden Charaktere zum Teil nicht allen Mitgliedern der einen (oder beider) der zu vereinigenden Einheiten zukommen, des glatteren sprach- lichen Ausdrucks wegen oft vorzuziehen wenigstens für den, der wie ich bei Definitionen prinzipiell nie die Ausdrücke »meist« oder »viel- fach« verwendet. Da aber Pax so viel Gewicht darauf legt, so bin ich gern bereit, eine Definition der Priapidea zu geben. Und zwar definiere ich sie als Anthoxoa, die nie ein aus Spicula bestehendes Kalkskelet, nie

6 Solche der drei erstgenannten habe ich überhaupt nicht unterschie- den; und bei den Supersubordines handelt es sich [wie bei den Subsubordines] ledig- lich um je zwei neue Namen, wie ich in aller Form angab und auch aus der von mir gegebenen Synonymie leicht zu ersehen gewesen wäre, die ich aus ausdrücklich (S. 92) angegebenen oder leicht ersichtlichen (cf. S. 49f. u. 57) Gründen einführte, und die sich zum Teil von sonst gebrauchten nur durch andre Endung unterscheiden. Und das macht doch gewiß nicht die Beigabe einer Definition erforderlich.

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nur eine dorsale Schlundrinne und stets flächenständige Gonaden be- sitzen, deren Septen nie weniger als acht an der Zahl und wenigstens zur Hälfte in Paaren angeordnet sind, und bei denen auBer an Rich- tungssepten die Längsmuskeln der Septen jedes Paares einander zuge- kehrt sind und ein Septenzuwachs über das 12-Mesenterien-Stadium (auBer ausnahmsweise bei der Vorbereitung zur Teilung) in wenig- stens 2 Magenfächern erfolgt, die 2 Paare Richtungssepten besitzen und in deren Entwicklung ein Edwardsia-Stadium auftritt, oder die alle diese Charaktere bis auf einen der zwei letztgenannten besitzen, in

LE pa oy Schema der Septenanordnung der Minyadidae.

a Die Septenpaare nach meiner Auffassung; b die Septenpaare nach der Auffassung Carlgrens und Pax’.

welchem Falle dann stets alle Septen (bis auf einzelne bei vielen durch Teilung entstandenen Individuen) in Paaren angeordnet sind. Zur Rechtfertigung eines Punktes in dieser Definition muß ich nun aber auch darauf hinweisen, daB ich mich der Ansicht von Carlgren und von Pax (1914, S. 402) über die Zusammensetzung der Septenpaare der Minyadidae nicht anschlieBen kann (s. Fig.). Diese Autoren betrachten nämlich je ein vollständiges und ein unvollständiges Septum als ein Paar bildend. Dabei liegen dann die Längsmuskeln an den äußeren Seiten der Septenpaare, auBer bei den vier nächst der Sagittalebene gelegenen Septen. Bei diesen sind sie gegen die betreffenden Binnen- ficher gekehrt, also ein sonst nie vorkommendes Verhältnis die der beiden Septen der betreffenden Paare nach derselben Richtung.

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Die Richtungsfächer denn so muß man sie konsequenterweise nennen liegen dann nicht in der Sagittalebene und sind in der Zahl von 16(!) vorhanden, während jene nicht durch 2 Endocöle, wie gewöhnlich, son- dern durch 2 Exocüle geht. Alle diese Anomalien verschwinden mit einem Schlage, wenn man wie ich je zwei vollstandige oder zwei unvollständige Septen als ein Paar bildend be- trachtet. Das einzige, was gegen diese Auffassung spricht, ist, wie ein Blick auf die Figur zeigt, daß dabei die Endocöle um ein Mehr- faches größer sind als die Exocöle Allen den andern angeführten schwerwiegenden Momenten gegenüber kann dies aber unmöglich aus- schlaggebend sein auch abgesehen davon, daß sich ein ganz ähnliches Verhältnis auch bei Halcurias findet (was zur Zeit, als Carlgren jene Auffassung publizierte, allerdings noch nicht bekannt war). Carlgren leitet übrigens selbst die Minyadidae in sehr plausibler Weise von einer Seeanemone mit je 10 Paaren vollständigen und-unvollständigen Septen, worunter 2 Paare Richtungssepten sind, durch bedeutende Vergröße- rung der Binnenfächer und Verkleinerung der Zwischenfächer ab. Da- durch kommen dann natürlich die benachbarten Septen je zweier neben- einander liegender Paare viel näher aneinander zu liegen als die beiden Septen je eines Paares. Diese morphologisch doch ziemlich unwesent- liche Veränderung kann aber keineswegs die tief in der Organisation unsrer Tiere begründete Art der Zuordnung der Septen zu Paaren be-

einflussen. Dieselbe Auffassung wie ich haben auch schon Delage Herouard vertreten, sie dabei aber irrtümlicherweise Carlgren zu- geschrieben. (Fortsetzung folet.)

4. Zur Kenntnis der Plesiocerata. (Über Diplopoden, 82. Aufsatz.) Von Karl W. Verhoeff, Pasing. (Mit 19 Figuren.) eingeg. 22. Juni 1915. I. Geoglomeris.

Die Gattung Geoglomeris wurde von mir im Sommer 1908 in der Nachbarschaft Dresdens entdeckt und beschrieben im 31.—35. Diplo- poden-Aufsatz, Nova Acta d. kais. Akad. d. Nat., Halle 1910, Bd. XCII, Nr. 2, S. 147—151, dazu gehörig Tafel I.

Bisher hat außer mir noch niemand diese kleinen weißen Kugeln gefunden. Es ist daher angemessen, meine bisherigen 4 Funde hier zu- sammenzustellen. Geoglomeris ist also nachgewiesen:

1) aus der Nachbarschaft Dresdens im Bereich des Plänerkalkes (vgl. im 38. Aufsatz, Isis, Dresden 1910, 1. Hft., S. 39-41);

Je

2) in zwei weiblichen Stücken im Bereich des Muschelkalkes bei Schwab. Hall, und zwar unter Gebüsch und Kalksteinen in der Nähe eines Baches. Von diesen 21/, mm langen, gelblichweißen Tieren, deren dunkler Darm durchschimmert, enthielt einessechs gelbbraune Eierchen.

Brustschild mit 2 Randfurchen und einer schwachen, abgekürzten Vorfurche, außerdem das eine Stück mit zwei durchlaufenden Furchen und einer weit nach dem Rücken heraufreichenden abgekürzten, das andre mit zwei durchlaufenden, einer dritten fast durchlaufenden und noch einer weit heraufreichenden abgekürzten Furche, also 2 (3) + 1 (0) oder 2 (3) + 2 (1). Ähnliche Variationen in der Prägung der Brust- schildfurchen kennen wir von (Glomeris;

3) fand ich ein einzelnes © am 3. VI. bei 600 m Höhe zwischen humöser Erde und Fagus-Laub am Hohenneuffen im schwäbischen Jura;

4) habe ich in diesem Frühjahr, also 29. IV.1915, im Tal der Wie- sent zwischen Muggendorf und Ruine Neideck (fränkische Schweiz) 6 Weibchen unter einem einzigen rauhen, etwa 1 Kubikfuß großen Kalk- stein zwischen Lasius niger angetroffen. Dieser auf mäßig feuchtem Lehm gelagerte, von der Morgensonne erwärmte Stein befand sich neben einem Acker und kleinen Gebüschen, 100 Meter vom Wald entfernt. Seine günstige Lage bewirkte, daß sich hier in der warmen, feuchten Erde zugleich 3 Dutzend Typhloblaniulus guttulatus, z. T. zwischen Schneckeneiern, sowie mehrere Microchordeuma voigtii angesammelt hatten. Dieses Vorkommen bei Ameisen ist um so mehr zu beachten, als ich schon in Sachsen ein Stück bei Myrmica angetroffen hatte. Hier fanden sich wieder zwei größere, mit Dotterkügelchen erfüllte Eier neben sehr kleinen, dotterlosen Eizellen, einmal auch drei größere Eier. Mithin sind alle bisher gefundenen Geoglomeris weibliche Tiere und sämtliche Fundplätze liegen in Kalkgebirgen.

Im Archive de Zoologie exper. et gen. t. 52, September 1915, Bio- speologica, XX XI. Glomerides, S. 387—445, lieferte Brölemann dankenswerte Beiträge zur Kenntnis europäischer Plesiocerata und beschrieb u. a. einige neue Arten der von Silvestri 1908 aufgestellten Gattung Spelaeoglomeris und 3 Arten der von ihm selbst begründeten Gattung Stygioglomeris. Diese beiden Gattungen bringe ich hier zur Sprache, weil ich sie, in Übereinstimmung mit Brölemann, für Ver- wandte der Gattung Geoglomeris halte. Da aber von letzterer Gattung Männchen nicht bekannt sind, vielleicht überhaupt nicht existieren, ist es um so notwendiger nach Merkmalen der Weibchen (welche wahr- scheinlich Merkmale beider Geschlechter sind), die Charaktere dieser Gattungen hervorzuheben. Fußend auf Brölemanns ausführlichen Beschreibungen von Spelaeoglomeris, kann ich folgende Gegenüberstel- lung geben:

Zoolog. Anzeiger. Bd. XLVI, 2

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Geoglomeris : Kopfkapsel vor den Schläfen- organen eckig-stumpfwinkelig her- ausragend. AuBentaster mit nur drei Sinneszäpfchen.

6. Antennenglied ungefähr doppelt so lang wie das 7., außen fast gerade verlaufend.

Die hintere Hälfte des Hypo- schismalfeldes des Brustschildes ist vom Seitenlappen des Hinter- tergit desselben entweder voll- kommen verdeckt, oder ragt nur hinten etwas heraus, oder auch außen ein wenig. Das Schisma ist vorn im Bogen nach oben (innen) verlängert (Fig. 1).

Tarsus aller Beinpaare, außer zahlreichen kleinen Borsten, innen vor der Mitte mit je zwei großen Tastborsten, deren endwärtige die stärkere ist (Fig. 2).

Spelaeoglomeris:

Kopfkapsel vor den Schläfen- organen schräg abgeschnitten, nicht herausragend. Außentaster mit zahlreichen Sinneszäpf- chen 1.

6. Antennenglied 31/,—4mal so lang wie das 7.2. |

Der hintere Teil des Hyposchis- malfeldes ragt etwas heraus über die abgerundete Hinterecke und den hinteren Seitenrand des Brust- schildes, das Schisma ist vorn ab- gekiirzt.

Tarsus der Beinpaare, auBer den zahlreichen kleinen, innen mit einer Reihe größerer Borsten be- wehrt.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Geoglomeris näher als mit Spelaeoglomeris mit Stygioglomeris verwandt ist, und zwar stimmen Geoglomeris und Stygioglomeris in den beiden folgenden wichtigen Merk-

malen überein:

1) ist das Schisma des Brustschildes vorn im Bogen nach oben

verlängert,

2) ragt bei beiden die Kopfkapsel vor den Schläfenorganen stumpf- winkelig-eckig nach außen vor. (Man vel. Brölemanns Abb. 78 mit meiner Fig. 11, ein den Nova Acta 1910.)

Nach dem was Brölemann, S. 418, über die Tarsen der »pattes ambulatoires« von Stygioglomeris duboscqui sagt, ist deren Beborstung der von Geoglomeris ähnlich, doch kommen außer drei stärkeren Tast- borsten an der Innenseite auch zwei solche an der Außenseite vor.

1 Ob alle Spelaeoglomeris zahlreiche Sinneszäpfchen der Außentaster besitzen, ist noch fraglich, namentlich mit Rücksicht auf S. hispanica. Brölemanns Abb. 49 bezieht sich auf jeanneli, während er im Text über das Gnathochilarium

keine Angaben gemacht hat.

2 Bei den meisten Arten, d.h. Untergattung Spelaeoglomeris s. str., ist das 6. Antennenglied außen leicht eingebuchtet (vel. Brölemanns Abb. 53), nur bei einer Art, Untergattung Speluncomeris (hispanica), verläuft es außen fast gerade.

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Nach Brölemanns Äußerungen auf S. 414 würde der einzige Unterschied zwischen Geoglomeris und Stygioglomeris in einer verschie- denen Ausdehnung des sichtbaren Teiles der Hyposchismalfelder des Brustschildes liegen, und das wäre dann allerdings um so wenger ein brauchbarer Trennungscharakter, als dieser Unterschied überhaupt nicht durchgreifend ist. Das verschiedene Sichtbarwerden des Hypo- schismalfeldes hängt jedoch nicht, wie Brölemann meint, von einer

Fig. 1. Fig. 2. a { Pa AN I, 4 > REN | À 1 A rd fi N | 1 \ ae CN ETA SCR |a i | 1! N Li ne 5 VA pi vA en Le  y À 1) \ = Ex | À \ A\ » i LEON LR \ \ x à: ESITI / \\ \ x be DIRO AVA Ay RE a re OR À | N a ari / a

Fig. 1—5. Geoglomeris jurassica n. sp. Fig. 1. Linkes Drittel des Brustschildes (eines @ aus der fränkischen Schweiz) von oben her dargestellt. sch, Schismapunkt; hy, Hyposchismalfeld; 51, Schismaende (verdeckt); 52, Ubergang vom freien zum verdeckten Teil des Hyposchismalfeldes; rf, Randfurche; 1, 2, 3, durchlaufende Furchen; a, abgekürzte Furche; rd, Grenze der Vorderrandduplicatur; z, innere Brustschildhöhlung. X 125.

Fig. 2. Tarsus und Tibia vom 3. Laufbeinpaar. X 220.

»compression de la préparation par le couvre objet« ab (es-sei denn, daß das Präparat durch zu starken Druck mißhandelt wird), sondern vielmehr von dem Umstande, ob man das ganze Brustschild oder Teile desselben einbettet. Meine Abbildungen (anbei Fig. 1 und früher in den Nova Acta) sind nach Brustschilddritteln entworfen, welche durch Sagittalschnitte abgetrennt wurden. Schneidet man die Seiten- teile zu kurz ab, dann legen sie sich mehr nach innen, und das Hypo- schismalfeld ragt etwas weiter heraus, so daß es schließlich auch außen ganz sichtbar wird. Schon diese Möglichkeit einer verschiedenen Auf- fassung verbietet auf dieses Merkmal einen besonderen Wert zu legen. Viel wichtiger ist die starke vordere Verlängerung des Schismas, welche ich in Fig. 1 bei stärkerer Vergrößerung noch deutlicher zum x:

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Ausdruck bringen wollte. Nehmen wir aber auch eine vollständige Brustschildübereinstimmung von Geoglomeris und Stygioglomeris an, dann halte ich trotzdem diese beiden Gattungen auf Grund der Kopf- bildung für berechtigt. Im Besitz von nur drei Sinneszäpfchen an den AuBentastern stimmen sie überein. Geoglomeris: Stygioglomeris: 6. Antennenglied höchstens doppelt so lang wie das 7. in der Grundhälfte unten schnell ver- jüngt (Fig. 8).

6. Antennenglied 3'/,mal so lang wie das 7. in der Grundhälfte oben und unten allmählich verjüngt.

Die Länge des 6. Antennen- gliedes verhält sich zu seiner Breite wie 3:2.

Die Länge des 6. Antennen- gliedes verhält sich zu seiner Breite wie 2:1.

Der Zwischenraum zwischen den Antennengruben 11/, mal brei- ter wie der Querdurchmesser der- selben.

In der Kopfbildung stimmen die beiden weiterhin unterschiedenen Geoglomeris-Arten vollkommen überein. In Fig. 8 habe ich die Antenne nochmals zur Darstellung gebracht, um die charakteristische Gestalt

Fig. 3. Fig. 4.

Antennengruben etwa so breit wie der Abstand zwischen ihnen.

Fig. 3. Rechtes Seitenstück des 4. Tergites von oben gesehen. X 220. Fig. 3a. Der gezähnelte Seitenlappenrand eines andern Weibchens. Fig. 4. Rechtes Seitenstück des Il. Tergites von oben gesehen. a, Vorder-; b, Hinter- c, Zwischenfurche; d, Grube. X 220. des 6. Gliedes hervortreten zu lassen. (In meiner ersten Abbildung, welche mehr der Gegenüberstellung zu Glomerellina diente, kam die grundwärtige Verjüngung des 6. Gliedes nicht ausreichend zum Ausdruck).

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Da den beiden Gattungen Spelaeoglomeris und Stygioglomeris gegeniiber sich Geoglomeris besonders durch das kurze 6. Antennen- glied auszeichnet, erinnere ich daran, daß alle Arten jener beiden Gat- tungen in Höhlen gefunden worden sind, während Geoglomeris bisher ausschließlich oberirdisch, wenn auch an versteckten Orten, ange- troffen wurde. Diese Gegensätze führen zu der Folgerung, daß das längere 6. Antennenglied von Spelaeoglomeris und Stygioglomeris als eine Anpassung an Höhlenleben aufgefaßt werden kann. Ob auch die ganzen Antennen verhältlich länger sind, bleibt noch fraglich.

Von Geoglomeris unterscheide ich die beiden folgenden Arten:

subterranea Verh.

Die Seitenlappen des 4.—11. Tergit besitzen schwächere Fur- chen, und zwar sind am äußeren Ende der Vorderfurche auch einige Wärzchen zu bemerken, aber es fehlt die Fortsetzung über die abgerundete Vorderecke (Fig. 6 u. 7). Daher fehlt auch am Rand des 4. u. 5. Tergit die Zähnelung. Die nur schwach geschlängelte Hinterfurche bleibt mehr oder weniger weit von der abgerundeten Hinterecke entfernt.

Zwischenfurche und Neben- furche fehlen, und auch eine Ver- tiefung ist nicht deutlich ausge- bildet. Desgleichen fehlen die Ver- stärkungslinien.

jurassica n. sp.

Die Seitenlappen am 4.11. Tergit besitzen stärkere Furchen, und zwar erstreckt sich die nach außen in Wärzchen aufgelöste Vorderfurche mit diesen Wärz- chen über die abgerundete Vorder- ecke. Am Seitenlappen des 4. Ter- gites und in etwas geringerer Aus- prägung auch des 5. treten die Wärzchen etwas heraus, so dab eine feine Zähnelung entsteht. (Fig. 3 u. 3a.)

An den weiteren Tergiten bewirken diese Wärzchen keine Zähnelung.

Die sehr deutlich geschlängelte Hinterfurche erstreckt sich fast bis an die abgerundete Hinterecke der Seitenlappen. An den meisten Tergiten ist die Hinterfurche zu- gleich entschieden nach hinten ab- gebogen. Zwischen die Vorder-und Hinterfurche ist eine abgekürzte, z. T. aus Wärzchen bestehende Zwischenfurche eingeschaltet, welche sich an die Vorderfurche anlehnt und an den meisten Ter- giten ähnlich der Hinterfurche nach hinten abbiegt (Fig. 4c).

Unter derZwischenfurchefindet

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sich eine deutliche, grubenartige Vertiefung (d).

Vorder- und Zwischenfurche werdenimGebiet des AuBenlappens von einer ihre Verstärkung an- zeigenden Linie begleitet. Zwischen Hinter- und Zwischenfurche ist bisweilen noch eine schwächere, aus einigen Wärzchen bestehende Nebenfurche angelest (Fig. 5).

In allen übrigen Merkmalen, auch in der Bildung des Kopfes, Brustschildes und Präanalschildes stimmen die beiden Arten so voll- ständig überein, daß eine weitere Beschreibung überflüssig erscheint.

Fig. 6.

At /

Fig. 5. Linker Seitenlappen des 6. Tergites von oben her dargestellt (am 7. und 8. Tergit ebenso). X 220.

Fig. 6 u. 7. Geoglomeris subterranea Verh. Fig. 6. Rechtes Seitenstiick des 5. Tergites von oben gesehen, nach einem © von Schwäbisch-Hall (am 4. und 6. Tergit ebenso). X 220.

Fig. 7. Linkes Seitenstück des 11. Tergites (6.—11.) von oben gesehen, nach Weib- chen von Dohna in Sachsen. X 220.

Solange ich von jurassica nur ein einziges Stück aus Württemberg be- saß, konnte es zweifelhaft erscheinen, ob hier eine besondere Art oder nur Varietät vorliege. Die Tiere aus der fränkischen Schweiz haben diesen Zweifel beseitigt, denn jetzt besitze ich jede der beiden Formen von zwei verschiedenen Ländern. Es herrscht aber hinsichtlich der er- wähnten Unterschiede im Bau des 4.—11. Tergites unter den Tieren von Sachsen und Nordwürttemberg einerseits, sowie unter denen aus dem fränkischen und schwäbischen Jura anderseits eine so vollständige Übereinstimmung, und die durch die Abbildungen erläuterten Verhält-

x".

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nisse wiederholen sich an allen diesen Tergiten in so charakteristischer Weise, daß über die artliche Verschiedenheit ein Zweifel nicht mehr bestehen kann.

Vorkommen der subterranea: Dohna bei Dresden und Schwäbisch Hall in Wiirttemberg an dem eingangs erwähnten Platze.

Vorkommen der Jurassica: Am Hohenhöfen im schwäbischen und bei Muggendorf im fränkischen Jura unter den schon vorn ge- nannten Umständen.

Es gewinnt den Anschein, daß jurassica eine Charakterform dieser beiden Abschnitte des Jura ist, während subterranea in weiter nördlich

Fig. 8. i Fig. 9. KA 8 “| U i À \ 2 st. E AN Ka N N x À rai \ m | PT ee N RA À! 4 \ N CR Ù N AN { \ IR da Xi io N A i N ee er | N RR À si \ \ 3 2: a Ne À (per

Fig. 8 u. 9. Geoglomeris jurassica n. sp.

Fig. 8. Antenne eines © aus der fränkischen Schweiz. X 220. Fig. 9. Endstück vom Tarsus des 3. Beinpaares. X 220. gelegenen, mitteldeutschen Kalkgebirgen zu Hause ist. Merkwürdiger- weise sind bisher Glomeriden vom Typus der Geoglomeris, Stygioglomeris und Spelaeoglomeris in den weiten Gebieten der Alpenländer, mit Aus- nahme der Seealpen (wo Spelaeoglomeris alpina vorkommt), nirgends gefunden worden.

Anmerkung: Auf eine charakteristische, etwas verdickte Tast- borste (vgl. Fig. 9) sei hier noch hingewiesen, welche dicht oberhalb der Endkralle aller Beinpaare zu finden und deren Spitze am 3.—17. Bein- paar deutlich etwas umgebogen ist.

II. Die Gruppen der Plesiocerata.

April 1912, in Nr. 11/12 des Zool. Anz. im 52. Diplopoden-Aufsatz über Adenomeris und Gervaisia gab ich eine neue Übersicht der Familien und Unterfamilien der Plesiocerata (S. 402), und zwar der beiden Familien Gervaisiidae und Glomeridae (ohne Berücksichtigung

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von Doderoa), wobei 5 Unterfamilien der letzteren in Betracht kamen, während die ersteren nur die Gattung Gervaisia enthalten.

Brölemann hat dagegen September 1913 (Biospeologica a. a. O.) ein System der Plesiocerata gebracht, welches teilweise sich auf mein eben erwähntes stützt, teilweise aber sehr davon abweicht. Insbesondere hat er sich nicht mit den beiden eben genannten Familien begnügt, sondern (von der noch sehr unklaren Familie Onomeridae Amerikas abgesehen) 4 Familien unterschieden, Glomeridae, Gervaisiidae, Typhloglomeridae und Glomeridellidae. Die beiden letzteren entsprechen jedoch vollkommen meinen gleichlautenden Unterfamilien der Glomeriden. Da er nun kein neues Charakteristikum für diese Gruppen beigebracht hat, halte ich meine Auffassung derselben voll- kommen aufrecht. Anders steht es dagegen mit den beiden Familien Glomeridae und Gervaisiidae, d. h. Brölemann hat denselben einen Charakter gegeben, welcher von meinen Familiendiagnosen total verschieden ist. Leider muß ich dieses Vorgehen als einen Rückschritt bezeichnen.

Im 52. und andern Aufsätzen habe ich mich bereits darüber aus- gesprochen, daß und warum es verfehlt ist, bei den Plesiocerata die Telopoden (und Nebentelopoden) als oberste systematische Handhabe zu benutzen. Brölemann führt zwar selbst meine Einwände teilweise an, hat aber tatsächlich ein System geliefert (vgl. S. 438 seines Auf- satzes), welches, abgesehen von dem Mangel einer näheren Charakteristik, ein Muster einer einseitigen, extremen, systematischen Gruppierung nur nach den Telopoden (und Nebentelopoden) darstellt. Seine Charakteristik besteht nämlich lediglich darin, daß er auf S. 424— 427 seine »quatre types« nach den männlichen Copulationsfüßen bestimmt und dann, daran anschließend, diese »types« als die schon genannten 4 »Familien« bezeichnet.

Das Übelste dieser Charakteristik besteht jedoch darin, daB sie dem Inhalt dieser Familien, den er auf S. 438 (»classificatione) nam- haft macht, absolut nicht entspricht:

Am 17. männlichen Beinpaar der »Gervaisiidae« Brölemanns sollen nämlich »les télopodites sont rudimentaires, réduits à 2 articles. « Tatsächlich besitzt aber die von ihm hierhin gestellte Gattung Ayleo- glomeris Verh. am 17. Beinpaar viergliedrige Telopodite.

Am 17. männlichen Beinpaar der »Glomeridae« Brölemanns sollen »se composent . .. télopodites de 5 articles«. In Wirklichkeit gibt es jedoch nur eine Gattung, nämlich Onychoglomeris Verh., auf welche diese Angabe zutrifft. Bei den meisten Formen, namentlich der typischen Gattung Glomeris, sind diese Telopodite viergliedrig, während

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sie bei Hupeyer imhoffia Brol. »sont normalement de trois articles« und bei Glomerellina Silv. nur zweigliedig.

Folglich ist diese Charakteristik der » Familien« nach dem 17. Bein- paar hinfällig. Da sie nun im 18. Beinpaar nach Brélemanns eigner Angabe übereinstimmen, bleiben nur noch die Telopoden zur Unter- scheidung tibrig. Worin jedoch der Unterschied liegen soll, ist nicht einzusehen. Er sagt zwar einerseits für »type Gervaisia«, daß vorhan- den ist »un long prolongement chitinise au fémur, bien distincte de l’article« und für »type Glomeris« im Gegenteil »il n’existe pas trace du long prolongement chitinisé femoral«, aber welcher Systematiker wird das als eine befriedigende Familiendiagnose anerkennen! Es ist das um so mehr ausgeschlossen, als es innerhalb dieser »Glomeridae« andre Gegensätze im Bau der Telopoden gibt, welche ebenso belangvoll sind; ich erinnere nur an Glomerellina, Glomeris und Haploglomeris.

Somit ist Brölemann durch einseitige Benutzung der Telopoden zu einer Zerreißung der natürlichen Familie der Glomeriden (in dem von mir 1912 umschriebenen Sinne) gelangt, indem er einerseits so heterogene Formen wie Gervaisia, Doderoa, Geoglomeris und Ade- nomeris vereinigte, anderseits aber unzweifelhafte Verwandte, wie Haploglomeris und Hyleoglomeris weit auseinander brachte. (Vgl. damit unten mein neues System.)

Die Forschungen in den verschiedensten Organismengruppen haben schon längst zu der Forderung geführt, daß möglichst verschiedene Charaktere zu benutzen sind, um ein natürliches System zu gewinnen. Nicht immer läßt sich diese Forderung erfüllen, weil bisweilen die sach- lichen Schwierigkeiten sehr groß sind. Wenn aber eine solche Forde- rung bereits erfüllt ist (wie durch mein System von 1912), dann ist es ein Fehler, wenn ein Autor wieder auf ein einziges Merkmal oder wenigstens Organ zurückgreift. Obwohl ich mich mit der Gattung Ger- varsıa und ihren verwickelten Tergitbildungen im 25. Aufsatz, Zool. Anz. 1906, Nr. 24, Okt. schon ziemlich eingehend beschäftigt habe, ist die Eigenart dieser Gruppe von Brölemann doch nicht gebührend berücksichtigt worden. Insbesondere kommt hier der für seine Be- urteilung von Doderoa verhängnisvolle Umstand in Betracht, daß er dieser Gattung Ohrgruben (im Sinne der Gattung Gervaisia) zu- spricht, die sie tatsächlich nicht besitzt. Auf S. 431 gibt er einen Schlüssel für die Gattungen, welche er als »Gervaisiidae« zusammen- gefaßt hat und sagt

a. für Gervaisia und Doderoa: » Lobes latéraux (des Brustschildes) creusés d’une fossette auriculaire«, dagegen

b. für die übrigen Gattungen: » Pas de fossettes auriculaires. «

Silvestri, welcher Doderoa genuensis 1904 (Ann. Mus. Civ. Stor.

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Nat. Genova) zuerst beschrieb, brachte keinerlei Abbildungen. Bröle- mann hat sich zweifellos dadurch ein Verdienst erworben, daß er die Charakteristik dieser merkwürdigen Form in seiner Arbeit vervoll- ständigt und durch Taf. XV erläutert hat. Durch Fig. 2—4 erhalten wir auch einen genügenden Einblick in den Bau des Brustschildes, namentlich Fig. 4 läßt keinen Zweifel darüber, daß die Vertie- fungen in den Brustschildseiten von Doderoa den Ohrgruben von Gervaisia weder homolog, noch überhaupt mit ihnen ver- gleichbar sind.

Das Brustschild von Doderoa besitzt nämlich ein sehr langes Schisma, welches einerseits am Hinterrand beginnt und anderseits in weitem Bogen bis hinter den Vorderrand sich erstreckt und über die Hohe der 5. Längsrippe nach innen reicht. Das Hyposchismalfeld ist daher in seiner ganzen Breite offen, aber sonst ähnlich dem zahlreicher Glomeriden. Oberhalb des Schismas, zwischen der untersten Längs- rippe und seinem vorderen Bogen, befindet sich eine Vertiefung, welche eine Ohrgrube darstellen soll. Von ihr sagt Brôlemann auf S. 393:

»Cette dépression ... est arrondie en arrière, latéralement et en avant, et se prolonge intérieurement le long et en arrière de la région antérieure, pour se perdre bientôt dans la région moyenne.«

Am Brustschild von Gervaisia dagegen (vel. Fig. 3 u. 4 in meinem 25. Aufsatz, 1906, S. 797) ist das Schisma sehr kurz, befindet sich aber ebenfalls am Hinterrande. Seine Kürze wird gerade durch die Ohrgrube hervorgerufen. Während diese eine Grenzerscheinung zwischen Vorder- und Hintertergit darstellt, ist die Vertiefung in den Doderoa-Brustschildseiten ausgesprochen im Bereich des Hinter- tergit gelegen. Die Ohrgruben von Gervaisia befinden sich unterhalb und außen von den Schismen, die Vertiefungen von Doderoa dagegen oberhalb derselben. Mithin erweisen sich vergleichend-morphologisch die Ohrgruben von Gervaisia und die Vertiefungen von Doderoa als unvereinbare Gebilde,

Aber auch nach ihrem tatsächlichen Bau sind die Ohrgruben grundverschieden von jenen Vertiefungen, denn während es sich bei letzteren einfach um Einsenkungen handelt, auf welche die kleinen über das Brustschild von Doderoa verteilten Drüsenhöfe ebenso zer- streut sind wie an der übrigen Fläche des Hintertergites, haben die Ohrgruben von Gervaisia die Bedeutung von riesigen Seitengruben nebst Grubensäulen. Hinsichtlich der Säulengruben und Grubensäulen verweise ich auf den 25. Aufsatz und wiederhole nur den Schluß hin- sichtlich der Ohrgruben auf S. 802:

»Wie sich die Seitengruben als vergrößerte, säulengetragene Gruben zu erkennen geben, so lassen sich die Ohrgruben des Brust-

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schildes erklären als erweiterte, vergrößerte und nach Verwachsung von 2 Seitenzipfeln ebenfalls verwachsene doppelte Seitengruben. «

Man kann die Ohrgruben auch als mächtige Erweiterungen der Hyposchismalfelder bezeichnen, welche zu den sich nach hinten schnell verschmälernden Hyposchismalfeldern von Doderoa im größten Gegensatz stehen. Ferner sind die Ohrgruben durch einen Kragen ausgezeichnet, welcher eine Verlängerung der die Ohrgruben umziehenden Querrippe des Vordertergites des Brustschildes darstellt. Wie die übrigen Rippen ist auch dieser Kragen mit von Drüsen erzeugten Stäbchen besetzt. Durch Kragen und Schisma werden die Ohrgruben fast vollständig umschlossen.

Aus den Gegensätzen im Bau des Brustschildes von Gervaisia und Doderoa ergibt sich ferner ein biologischer Gegensatz mit Rück- sicht auf den Einrollungsmodus. Im VIII. Kapitel des 25. Auf- satzes (der Kugelverschluß bei Glomeris und Gervaisia) habe ich diesen Unterschied bereits besprochen, aber zwischen Gervaisia und Doderoa ist der Gegensatz noch bedeutender, weil das lange Schisma der letzteren Gattung alle Mitteltergite, d. h. das 4.—12., in seiner Rinne bei der Einkugelung aufzunehmen vermag. Bei Gervaisia dagegen schiebt sich nur das 4. Tergit in das kurze Schisma ein, die übrigen stützen sich von außen an den Kragen der Ohrgruben, indem sie auf der Randduplicatur aufgesetzt sind, welche den Kragen im Halbkreis umgibt und von mir als Bogenrippe hervorgehoben wurde.

Daß Brölemann diese Bauverhältnisse nicht verstanden hat, geht ebensowohl aus seiner unrichtigen Verbindung von Gervazsıa und Doderoa hervor, als auch aus einer Bemerkung auf S. 393 in der Be- schreibung von Doderoa, wo es heißt: »On ne voit pas trace des piliers duplicaturaux des Gervaisia!« Mit diesen »piliers« (= Pfeiler oder Säulchen) sind die Grubensäulen der Tergite gemeint. Da nun, wie ich im 25. Aufsatz bewiesen habe, Seitengruben und Ohrgruben ebenfalls zu den Säulengruben gehören, so hat Brölemann sich selbst wider- sprochen, indem er einerseits ganz richtig sagt, daß Doderoa keine Grubensäulen besitzt, anderseits aber ihnen am Brustschild fälschlich Ohrgruben zuspricht. Mit der Erkenntnis dieser Irrtümer fällt aber gleichzeitig Brölemanns Systematik insofern zusammen, als er in Doderoa eine Verbindung zwischen Gervaisia und den Glomeriden erblicken zu können glaubte und demgemäß auf S. 431 Gervarsia und Doderoa nicht nur in eine Familie, sondern sogar Unterfamilie gestellt hat. Im Gegenteil haben nun seine Ausführungen dazu beigetragen, in verstärktem Maße zu zeigen, daß Gervaisia wirklich eine höchst originelle Gattung ist, welche zu allen andern bekannten Plesio- cerata in solchem Gegensatze steht, daß sie allein als Typus einer

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eignen Familie zu dienen hat. Doderoa hingegen weicht zwar durch ihre Rippenbildungen von allen übrigen Glomeriden auffallend ab, ist aber sonst entschieden als eine Glomeride zu bezeichnen, insbe- sondere auch nach Brustschildbau und Einrollungsmodus.

Brölemann spricht auf S. 437 seine Verwunderung darüber aus, daß die Telopoden von Hyleoglomeris und Gervaisia »ne laissent sub- sister aucun doute sur l’identité de structure de ces organes«. Meines Erachtens ergibt sich aus dieser und ähnlichen Erscheinungen, daß die Telopoden aller Plesiocerata nach einem bestimmten (im Vergleich mit den Gonopoden der Proterandria), recht einfachen Grundplan gebaut sind und daß nur in einzelnen Gruppen (wie z. B. Typhloglomeris) mehr oder weniger auffallende Abweichungen vorliegen.

Mein System der Plesiocerata (S. 401-403 des Zool. Anz., April 1912, im 52. Aufsatz) halte ich also im wesentlichen aufrecht, gebe jedoch einen neuen Schlüssel mit Rücksicht auf die neuen oder besser bekannt gewordenen Gattungen und neuen Gruppen.

Plesiocerata Verh. 1911.

A. An der Vordergrenze der Duplicaturen der Tergite findet sich eine Querreihe von Grubensäulen (innen) und Säulengraben (außen). In den Seitenlappen der Tergite ist eine Seitengrube als vergrößerte Säulengrube zu betrachten. Sehr große Seitengruben des Brust- schildes, die Ohrgruben, werden von einem Kragen, einer Fort- setzung der Querrippe des Brustschildvordertergites, fast ganz um- schlossen, hinter der Ohrgrube folgt ein kurzes Hinterrandschisma. 4.—12. Tergit mit einer, Brustschild mit zwei Querrippen; Rippen mit Höckern, auf welchen Stäbchen sitzen, die durch Drüsen erzeugt und von Börstchen festgehalten werden. Freiliegende Gebiete der Tergite mit kalkigem Gerinnsel. Bei der Einkugelung stützt sich die Mehrzahl der Tergite mit ihren Seitenlappen auf die Bogenrippe und gegen den Kragen der Öhrgruben des Brustschildes. 6. Antennen- glied 21/;—22/; mal so lang wie breit. Außentaster des Gnatho- chilarium mit 2—5 (meistens 3—4) Sinneszäpfchen.

Familie Gervaisiidae 3. Rumpf mit 12 Tergiten, indem das dem Präanalschild voran- gehende verkiimmert ist und seine Überreste an den Vorderecken des Präanalschildes noch erkennbar sind.

3 Meine Diagnose der Gervaisiidae ist gänzlich verschieden von der- jenigen, welche Silvestri 1896 in seiner Arbeit I Diplopodi, parte I, Sistema- tica, Genova, beigebracht hat, wo es auf S. 86 heißt: »Tergita 11, Hypostoma infra- basilari integro«, im Gegensatz zu Glomeridae: »Tergita 12, Hypostoma infra- basilari bipartito«. Der Tergitunterschied kommt erst sekundär in Betracht, und außerdem wird durch das weiterhin besprochene Semitergit eine Vermittlung

et: -

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(Hierhin die einzige bekannte Gattung Gervaisia, welche mit »Spelaeogervaisia« Bröl. identisch ist.)

B. An den Tergiten fehlen die Säulengruben und Grubensäulen ebenso wie die Seitengruben und Ohrgruben; desgleichen fehlen die Quer- rippen. Von Drüsen erzeugte und durch Börstchen festgehaltene Stäbchen kommen bei Adenomeris vor, fehlen aber allen andern Glomeriden. Die Brustschild-Schismen besitzen eine größere oder geringere Länge, aber die Hyposchismalfelder sind niemals grubig erweitert und niemals von einem Rippenkragen umgeben, daher stützen sich die mittleren Tergite bei der Einrollung auch niemals auf eine Bogenrippe. Tergite ohne kalkiges Gerinnsel. 6. Antennen- glied 1'/, bis mehr als 6mal länger wie breit. Aubßentaster des Gnathochilarium bisweilen nur mit 3, meistens aber mit zahlreichen (16—20 und mehr) Sinneszäpfchen. Rumpf stets mit 13 Tergiten, nur bei Glomeridella ist das vorletzte als ein Semitergit* aus-

gebildet. (Fortsetzung folgt.)

II. Mitteilungen aus Museen, Instituten usw.

1. Anträge an die Internationale Nomenklatur-Kommission. Von Prof. Apstein, Berlin.

Antrag betreffend »Nomina conservanda«.

Nachfolgende Liste von »Nom. cons.« gestatte ich mir der Intern. Nomenklatur-Kommission vorzulegen. Nicht strikte Befolgung des Prioritätsgesetzes, sondern Nomina conservanda sind das Mittel, um schnell zu einer Konstanz der Namen allbekannter Tiere zu kommen.

Die umfangreiche Liste wird in den »Sitzungsberichten der Gesell- schaft naturforschender Freunde zu Berlin« erscheinen.

Antrag »Opinion 20« zu streichen.

Im Jahre 1909/1910 wurde der Intern. Nomenklatur-Kommission Opinion 20 vorgelegt, die lautet: »Gronow, 1763, is binary, though not consistently binominal. Article 25 demands that an auther be binary

hergestellt. Der 2. Unterschied, welcher durch Silvestris schematische Textab- bildungen 24 und 25 erläutert wird, betrifft das Mentum, welches nur bei den

“Glomeridae geteilt, bei Gervaisia aber einfach sein soll. In Wirklichkeit ist es, wie meine Präparate der verschiedenen Gervaisia-Arten beweisen, auch bei dieser Gattung geteilt, d.h. der von Silvestri angegebene Unterschied ist nicht vorhanden.

4 Hiervon wird noch weiterhin die Rede sein.

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and Article 2 demands that generic names be uninominal!. Under these articles, Gronow’s genera are to be accepted as complying with the conditions prescribed by the Code to render a name available under the Code. «

Von den damaligen 15 Mitgliedern der Kommission haben 11 dieser vom Sekretär der Kommission, Herrn Prof. Stiles, geschriebenen Opi- nion zugestimmt, 3 haben nicht gestimmt und nur 1 Mitglied, Dr. Hoyle in Cardiff, hat gegen Opinion 20 opponiert. Diese Opinion ist von Poche (Arch. f. Naturg., Bd. 78A, 1912, S. 75ff.) und Lönnberg (Zool. Anz., Bd. 44, Nr. 7, 1914, S. 332—336) mit Recht scharf ange- griffen worden. Da ich nach der Zeit der Abstimmung als Mitglied in die Kommission eingetreten bin, so sehe ich mich gezwungen damit mein Schweigen nicht als Zustimmung aufgefaßt wird zu erklären, daß ich Opinion 20 aufs schärfste als mit den Intern. Nomenklatur- regeln unvereinbar verurteile.

Nochmals den Fall auseinanderzusetzen, kann eh unterlassen, da in den zitierten, einem jeden zugänglichen Publikationen von Poche und Lönnberg die Frage im einzelnen auseinandergesetzt ist. Binär und binominal sind nomenklatorisch gleichbedeutend, und Art. 2 und 25 der Intern. Nomenklaturregeln? drücken dieses genügend aus und sind nicht mißzuverstehen.

Der speziell in Opinion 20 angeführte Fall von Gronovius, Zoo- phylacium 1763 erledigt sich damit auch dahin, daß dieses Werk durch- aus nicht binär, also nomenklatorisch ungültig ist.

Antrag betreffend Änderungen der »By«-Laws der Intern. Nomenklatur-Kommission.

Die Satzungen (By-Laws) der Intern. Nomenklatur-Kommission (siehe Verh. des 8. Intern. Zoologen Kongreß, Graz 1910, Jena 1912, S. 321—323) sollen, wie Poche behauptet (Zool. Anz., Bd. 39, 1912, S. 698ff.), vor dem Kongreß in Graz nicht verlesen, können daher auch nicht von ihm angenommen sein. Eine Antwort auf diese Behauptung Poches ist meines Wissens nicht vom Sekretär der Intern. Nomen- klatur-Kommission gegeben worden. Ist Poches Behauptung richtig, dann bestehen die Satzungen nicht zu Recht.

Da ich an dem Kongreß nicht teilgenommen habe, kann ich nicht entscheiden, ob die By-Laws Geltung haben oder nicht. Für alle Fälle beantrage ich folgende Änderungen der By-Laws:

1) Art. IVa muß heißen: (Said report shall consist of the following):- > All recommendations involving any alteration of the Règles Inter-

1 Die Fortsetzung des Art. 2 »binominal for species« ist fortgelassen! 2 Zool. Anz. Bd. 28. 1905. S. 566—584.

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nationales de la Nomenclature zoologique«. Das Weitere (»but no such recommendation is to be reported unless it has first received a majority< (8) vote of the Commission and the unanimo usvote of all Commissioners present at the meeting«) muß fortbleiben. Die Intern. Nomenklatur-Kommission ist eine beratende Körperschaft, die die einlaufenden Anträge und Fragen durchzuberaten und sämtlich dem Kongreß vorzulegen hat, gleich, ob die Majorität der Kommis- sionsmitglieder sich für einen Antrag usw. ausspricht oder dagegen. In ersterem Falle kann dem Kongreß empfohlen werden, Anträgen zuzustimmen, in letzterem Falle sie abzulehnen. Die Entscheidung hat aber der Kongreß, nicht die Kommission.

2) Art. VI. »Majority vote on opinions« ist zu streichen, da Art. [Vb genügt und im übrigen das für Art. [Va von mir Gesagte auch für

Art. IVb gilt.

Antrag betreffend Gültigkeitserklärung von Gattungs- namen, dieaus dem Griechischen stammen, aber französische Endung tragen.

Latreille hat 1825 (Fam. Règne an.) eine größere Zahl neuer Gattungen aufgestellt, aber die aus dem Griechischen stammenden Namen dem Gebrauche der damaligen Zeit entsprechend mit franzö- sischer Endung oder mit Akzent versehen.

Z. B. p. 463. Lithurge (Aıdovoyös) Ancyloscèle (@yxtdos, oxe4ic) p. 447. Chirocère (zee, xéoas) p. 413. Myrmécophile (uvounS, quléo).

Die Nomenklatoren von Agassiz und Skudder haben diese Namen mit lateinischer Endung als Lithurgus, Ancyloscelis, Chirocera, Myrmecophilus (— a) und als Autor Latreille aufgenommen.

1827 hat Berthold (Latreilles Fam. Tierr.) eine Ubersetzung des Buches von Latreille gegeben, in dem er die Genusnamen von Latreille mit lateinischer Endung wiedergibt.

Poche 1909 (D. ent. Z., S. 413—414) und 1913 (Ent. Mitteil., Bd. 2, Nr. 5, 8. 144, 145) betrachtet als Autor der betreffenden Namen Berthold, weil dieser die Namen mit lateinischer Endung eingeführt hat. Art. 3 der Intern. Nomenklaturregeln lautet: »Die wissenschaft- lichen Namen der Tiere sind lateinische oder latinisierte Wörter, oder als solche angesehene und behandelte Wörter nichtklassischer Her- kunft. « .

Nach dem Buchstaben der Regel hat Poche recht, aus dem Geist der Regeln heraus miissen aber die Namen von Latreille nachtriglich mit lateinischer Endung versehen Giiltigkeit haben.

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Latreille hat nicht französische Namen gegeben (Lithurge ist niemals französisch), sondern nur, dem damaligen Gebrauche folgend,’ den Namen eine französische Endung bzw. nur einen Akzent gegeben, damit sie glatter auszusprechen sind. Das Verdienst, die Genera erkannt, aufgestellt und charakterisiert zu haben, bleibt Latreille, nicht dem Übersetzer Berthold.

Das gleiche gilt für alle Genusnamen ähnlicher Bildung (z. B. von Cuvier, Ant. Dugès).

Ich schlage deshalb vor, dem Art. 3 als Absatz hinzuzufügen:

»Gültig sind auch die mit französischer Endung oder mit Akzent versehenen, aus dem Griechischen kommenden Gattungsnamen; sie werden aber mit lateinischer Endung geschrieben. «

2. Schweizerische Naturforschende Gesellschaft.

Die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft wird am 12. bis 15. September d. J. in Genf ihre 97. Jahresversammlung abhalten und gleichzeitig die Jahrhundertfeier ihrer Gründung begehen. Mit Rück- sicht auf die gegenwärtigen Umstände hat der geschäftsführende Aus- schuß der Gesellschaft beschlossen, diese Feier in sehr bescheidenem Rahmen zu halten und die üblichen Einladungen an die gelehrten Ge- sellschaften des Auslandes und die außerhalb der Schweiz wohnenden Naturforscher zu unterlassen.

III. Personal-Notizen.

Rostock.

Zum ordentl. Professor der Zoologie und Direktor des Zoolog. Instituts an der Universität Rostock wurde Prof. Dr. S. Becher in Gießen ernannt.

Utrecht.

Zum außerordentl. Professor der Vergl. Physiologie in der math.- naturw. Fakultät wurde (als Nachfolger von Prof. Dr. A. W. Hubrecht) Prof. Dr. H. Jordan in Tübingen ernannt.

Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Zoologischer Anzeiger

herausgegeben

von Prof. Eugen Korschelt in Marburg. Zugleich Organ der Deutschen Zoologischen Gesellschaft.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

XLVI. Band. 24. September 1915. Nr. 2, Inhalt: I. Wissenschaftliche Mitteilungen. 3. Noack, Über den mumifizierten Kopf eines 1. Poche, Über das System der Anthozoa und Incahundes aus dem Totenfelde von Ancon einige allgemeine Fragen der zoologischen in Peru. (Mit 6 Figuren.) S. 62. Systematik. (Mit 1 Figur.) (Fortsetzung.) S. 33.

Ill. Personal-Notizen. S. 64. 2. Verhoeff, Zur Kenntnis der Plesiocerata.

(Mit 19 Figuren.) (Fortsetzung.) S. 43.

I. Wissenschaftliche Mitteilungen.

1. Über das System der Anthozoa und einige allgemeine Fragen der zoologischen Systematik.

Von Dr. Franz Poche, Wien. (Mit 1 Figur.) (Fortsetzung.)

Auch die Vereinigung der Seeanemonen und Madreporineen in eine Gruppe halt Pax »nicht fiir praktisch. Da aber natiirlich die Ver- wandtschaft der Madreporarien mit den stichodactylinen Actiniarien nicht geleugnet werden kann, so handelt es sich hier mehr um eine Frage des persönlichen Geschmacks, als um ein wissenschaftliches © Problem.« Da Pax also die Verwandtschaft jener beiden Gruppen selbst anerkennt, so brauche ich darauf nicht näher einzugehen, sondern verweise nur speziell auf Duerden, 1898, sowie darauf, daB auch nach Pax’ Definitionen derselben der Unterschied zwischen ihnen im wesentlichen nur darin besteht, daß die Madreporinei ein Kalk- skelet besitzen, die Priapinei dagegen nicht. Und der Besitz oder Nicht- besitz eines äußeren Kalkskelettes morphologisch völlig richtig könnte man sagen einer Kalkschale ist doch gewiß kein zur Unter- scheidung von Ordnungen berechtigender Charakter. Ich erinnere z. B. daran, in wie engen systematischen Verband bei den Mollusken innerhalb der Heteropoda, der Tectibranchiata, der Pulmonata, der Dibranchiata schalentragende und schalenlose Formen gestellt werden, und wie ganz

Zoolog. Anzeiger. Bd. XLVI. 3

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anders Pax gleich darauf das Skelet von Savalia bewertet (s. unten). Und gerade angesichts der anerkannten Verwandtschaft jener beiden Gruppen ist es keineswegs mehr eine Geschmacksfrage, sondern ein wissenschaftliches Postulat, diese auch im System zum Aus- druckzubringen. Etwaige »praktische« Momente miissen demgegen- über ganz zurücktreten (abgesehen davon, daß es nicht recht ersichtlich ist, warum die schon wiederholt vorgenommene Vereinigung zweier ein- ander nächststehender Gruppen zu einer höheren Einheit nicht prak- tisch sein soll).

Zum Teil im Zusammenhange mit der Vereinigung der Zoanthi- deen, Seeanemonen und Steinkorallen in eine Ordnung Priapidea, wo- durch der zwischen diesen zweifellos bestehenden näheren Verwandt- schaft ohnedies Rechnung getragen wird, kann ich mich auch der von Pax (unter andern Namen) wieder aufgenommenen alten Einteilung der Anthozoa in 2 Hauptgruppen, von denen die eine die Alcyoniidea, die andre alle andern Anthozoa umfaßt, nicht anschließen. Pax betrachtet sie als Unterklassen und nennt die letztgedachte Hexacorallia. Unter- abteilungen von so hohem Range kann man meiner Ansicht nachinnerhalb der Anthozoa überhaupt nicht unterscheiden. Denn alle Gruppen dieser stehen einander ja relativ recht nahe, was jüngst durch Niedermeyer (1913, S. 267 u. 270) speziell hinsichtlich der Alcyoniidea eine weitere Bestätigung auf histologischem Gebiete erfahren hat. Und tatsächlich finden wir bei einem Vergleich von Pax’ Diagnose der Hexacorallia mit der (offenbar korrespondierenden) Kükenthals (1915, S. 284) für die Octocorallia, die andre Unterklasse, als den einzigen durchgreifenden Unterschied zwischen ihnen, daß die Gonaden bei jenen flächenständig und bei diesen randständig sind. Der von Pax außerdem besonders hervorgehobene Umstand, daß bei jenen, wenn nur 8 Septen vorhanden sind, die Tentakel stets ungefiedert sind, ist zudem eventuell zu Bestimmungszwecken verwendbar, systematisch aber ganz belanglos. Denn ganz abgesehen davon, daß es ja auch Octo- corallia mit 8 Septen und ungefiederten Tentakeln gibt, kann auch bei den Hexacorallia die Zahl der Septen acht betragen und können die Tentakel gefiedert sein; und da zwischen diesen beiden Charakteren absolut kein Zusammenhang erkennbar ist, so kann auf ihr Nicht- zusammenvorkommen bei den Hexacorallia gar kein Gewicht gelegt werden. Dasselbe ist auch angesichts der Seltenheit sowohl der Acht- zahl der Septen als gefiederter Tentakel bei den Hexacorallia von vorn- herein nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erwarten. Und anderseits kann ich auch nicht finden, daß die Cerianthidea, Anti- pathidea und Priapidea miteinander näher verwandt sind als irgendeine dieser Gruppen mit den Alcyoniidea. Schon Goette, 1897, S. 373f.

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hat sich mit Entschiedenheit gegen diese Auffassung ausgesprochen, ja ist wie auch 1902, S. 115f. und wie Roule, 1905, S. 48f. sogar so weit gegangen, letztere mit den Priapidei zu einer höheren Einheit, Octo- corallia, bzw. Metanthozoa (Roule), zu vereinigen, für die beide ebenfalls gemeinsame Merkmale anführten. Ich halte es daher nach wie vor beim derzeitigen Stande unsrer Kenntnisse für das Richtigste, als oberste Abteilungen der Anthozoa mit McMurrich die ge- dachten 4 Gruppen zu unterscheiden und ihnen den Rang von Ordnungen zu geben. Ubrigens ist der erste Teil von Pax’ Diagnose der Hexacorallia so wie er dort steht: » Anthozoen, die nicht mit 8 Septen und nicht gleichzeitig mit 8 gefiederten Tentakeln ausgestattet sind«, unrichtig; denn es gibt, wie Pax dann selbst anführt, auch Hexacorallia mit 8 Septen. Es sollte heiBen: die nicht mit 8 Septen und gleichzeitig mit ..., oder noch besser: die nicht gleichzeitig mit 8 Septen und mit... Dies ist dann richtig, nur ganz überflüssig; denn es sagt nichts, was nicht der weitere Satz: » Treten nur 8 Septen auf, dann sind die Tentakel stets ungefiedert«, ohnedies mindestens ebenso klar sagt.

Für die von mir aufgestellten, von ihm als völlig berechtigt aner- kannten Subordines Antipathinea und Dendrobrachiinea führt Pax als neue Namen seine bisherigen Manuskriptnamen Holodactyla und Den- drodactyla ein, da der Name Antipathinea »zu Mißverständnissen führen kann. Wurde doch als Antipathinae bisher ganz allgemein eine Unterfamilie der Antipathiden bezeichnet.« Da die Namen supergene- rischer Gruppen nicht dem Prioritätsgesetz unterstehen, so ist Pax hierzu natürlich berechtigt. (Es berührt nur etwas sonderbar, nachdem er gerade vorher meine Ersetzung des Namens Stichodactylinae als »jeder Berechtigung« entbehrend erklärt hat. Und bei Dendrobrachi- inea ist doch sicher kein Mißverständnis zu befürchten. Hier sollte der Name offenbar analog dem der koordinierten Gruppe gebildet sein. Ebenso lag der Fall aber auch um ganz abzusehen von einem wei- teren gewichtigen Grund [s. oben] bei meiner Einführung von Stoich- actinoidae für Stichodactylinae.) Es kommt lediglich darauf an, ob jene Umtaufungen zweckmäßig sind. Und in Wirklichkeit ist die Ver- wechslung von Antipathinea mit Antipathinae wohl ebensowenig zu be- fürchten, wie man bisher Antipathinae, Antipathidae und Antipathidea, Cerianthidae und Cerianthidea und zahlreiche andre analoge Namen verwechselt hat oder wie die Chemiker (deren Nomenklatur bekanntlich auf einer weit höheren Stufe steht als unsre) z. B. Kaliumphosphat und Kaliumphosphit, Kaliumferrocyanid und Kaliumferricyanid ver- wechseln.

Im übrigen das Folgende richtet sich keineswegs gegen Pax sind

3*

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die Antipathinea und noch weit mehr die Dendrobrachiinea geradezu klassische Beispiele für Gruppen, für die man andre als von dem der typischen Gattung gebildete Namen nicht einführensollte. | Zur Klarstellung des prinzipiellen Standpunktes sei dies hier kurz dar- gelegt. Die bisherigen Namen der Antipathinea und ebenso die der Ordnung waren sämtlich so gebildet, desgleichen die in der Literatur gebräuchlichsten »Vulgärnamen« für sie. Es kann keinerlei Zweifel bestehen, welches die typischen Gattungen jener Gruppen sind. Es sind kleine und relativ wenig bekannte Gruppen; insbesondere die einzige Art der Dendrobrachiinea ist nur einem kleinen Bruchteil der Zoologen auch bloß dem Namen nach bekannt und überhaupt nur ein einziges Mal (oder zweimal [s. Pax, 1915, S. 328]) aus der Tiefe des Meeres ans Licht gebracht worden. Kann man es angesichts alles dessen wirklich zweckmäßiger finden, das Gedächtnis mit völlig selbständig gebildeten Namen für jene Gruppen zu belasten, aus denen man überdies absolutnichtentnehmen kann, welche Formen darunter begriffen sind, als von denen ihrer typischen Gat- tungen abgeleitete Namen für siezu gebrauchen, die zudem jedem, der die Gruppen überhaupt kennt, sofort wenigstenssagen, was auf jeden Fall darunter verstanden ist? (S. auch Poche, 1912a, 8. 840f.) Und nicht um einige wenige solche Fälle handelt es sich, sondern um viele hunderte. Und über das oft vielleicht unbe- wußt wirkende Moment, daß diese Art der Namengebung so gar nichts Persönliches hat, und daß bei so gebildeten Namen ganz allgemein noch viel weniger als bei andern bekannt ist, wer sie eingeführt hat, sollten sich die Autoren im Interesse unsrer Wissenschaft gegebenen- falls mit bewußter Selbstverleugnung hinwegsetzen.

Pax’ Angabe in seiner Definition der Antipathidea, daß nur die beiden lateralen Mesenterien fertil sind, ist unzutreffend; denn bei Cirripathes contorta finden sich sehr gut entwickelte Ovarien auch in 2 Paaren von sekundären Mesenterien.

Innerhalb. der Antipathinea unterscheidet Pax die »Familien- reihen« Hexamerota und Pleiomerota, jene nur mit primären Septen und die Familie Cladopathidae enthaltend, diese mit primären und se- kundären Septen und die Familien Schizopathidae und Antipathidae umfassend. Ich behalte demgegenüber wenigstens auf Grund unsrer bisherigen Kenntnisse mit van Pesch (1914, S. 9—22) die Vereini- gung aller dieser Formen in einer Familie Antipathidae bei. Denn wenngleich anscheinend alle jene Gruppen natürliche und die Unter- schiede zwischen den extremen Formen recht erhebliche sind, so wer- den diese doch durch Zwischenformen so miteinander verbunden, daß ihre Trennung, insbesondere aber die der Pleiomerota, in ver-

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schiedene Familien mir unberechtigt erscheint. Da aber Pax (S. 327) eine weitere einschlägige Arbeit in Aussicht stellt und diese müglicher- weise neue Griinde für seine Ansicht bringen kann, so gehe ich derzeit nicht näher darauf ein und bemerke nur betreffs der beiden Familien- reihen, daß bei den Priapinei Formen mit sekundären Septen und ohne solche, mit untereinander sehr verschiedenen und mit lauter (bis auf die Geschlechtsorgane) gleichen Septen, und mit einer sehr verschiedenen Zahl von Septen ganz allgemein sogar in je eine Familie (z. B. Ed- wardsiidae, Halcampidae [bzw. Halcampomorphidae], Paractinidae) ge- stellt werden. Und es liegt keinerleiGrundvor, analoge Unter- schiede bei den Antipathinea systematisch so viel höher zu bewerten.

Meine Klassifikation der Zoanthidei ist nach Pax’ Ansicht nicht zu billigen. Er hält die Unterscheidung der 2 Triben Zoanthoidae und Savalioidae für ungerechtfertigt, weil Savalia sich, wie er meint, ana- tomisch von dem Zoanthoideen Parazoanthus »nur durch den Besitz eines hornigen Achsenskelettes unterscheidet«, was genügend betont wird, wenn man jene in eine eigne Familie stellt. Die Unterscheidung jener 2 Triben ist insbesondere im Hinblick auf den noch viel größeren systematischen Wert, der dem Besitz eines äußeren Skelettes bei den Madreporinei im Gegensatz zu den Priapinei ganz allgemein beigelegt wird (s. auch oben), konsequenterweise unvermeidlich. Gewiß ist letz- teres wesentlich höher differenziert als das Skelet von Savalia, und weist auch keine Form jener eine im übrigen so weitgehende Übereinstimmung mit irgendeiner Seeanemone auf als Savalia mit Parazoanthus, so daß jenen zweifellos, wie ja auch ich getan habe, ein beträchtlich höherer Rang als der Savalia zuerkannt werden muß. Auf keinen Fall aber kann man für diese bloß eine eigne Familie unterscheiden (daß ihr Skelet hornig ist gegenüber dem kalkigen der Madreporineen, begründet keineswegs etwa eine niedrigere systematische Bewertung desselben). Und um so weniger folgerichtig ist dies, wenn man wie Pax die Madre- porinei als eine eigne Ordnung betrachtet und in dieser auf kleinere Unterschiede in der speziellen Ausbildung des Skelettes hin (s. unten) Subordines unterscheidet. Ferner unterscheidet sich Savalia von Para- zoanthus anatomisch nicht lediglich durch den Besitz des Skelettes, sondern (wie von allen koloniebildenden Zoanthoidae) auch dadurch, daß der Gastralraum sich nicht mit so ziemlich seiner ganzen Basis in

das Kanalsystem des Conenchyms öffnet, sondern basal geschlossen ist und nur durch eine Öffnung im äußeren unteren Winkel jedes Magen- faches mit jenem kommuniziert. Die Familie der Sphenopiden ist »in ihrem inneren Bau noch zu wenig erforscht, als daß es schon jetzt mög- lich wäre, über ihre Existenzberechtigung ein bindendes Urteil abzu-

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geben. Wir tun daher wohl gut, sie vorläufig beizubehalten.« Sie wurde aber lediglich auf geringfügige äußere Merkmale gegründet und auch von Pax nur durch solche charakterisiert; und dab diese zu ihrer Begründung nicht genügen, erkennt ja jetzt augenscheinlich auch er an. Da ist es doch viel logischer, sie derzeit nicht zu unterscheiden; sollte sich einmal herausstellen, daß anatomische Oharaktere dies er- fordern, so wird es dann Zeit genug hierfür sein. Ferner behauptet Pax, daß Duerden den Nachweis geführt hat, daß Bergia catenularis und Bergia via lactea [die einzigen Arten von Bergia] eine einzige Spe- cies darstellen, die (und daher auch Bergia selbst) zu Paraxoanthus zu rechnen ist, und dieser » Nachweis« mir entgangen ist. In Wirklich- keit hat Duerden niemals einen solchen Nachweis geführt. Er hat lediglich auf Grund seiner subjektiven Auffassungen jene Ver- einigungen vorgenommen, wobei er die der beiden Arten selbst als keineswegs sicher hinstellte. Dieser Ansicht schloß ich mich betreffs der Genera aber nicht an, wie auch schon Verrill sich gegen sie ausge- sprochen hatte. (Letzteres ist Pax allerdings entgangen was ja natür- lich nur zu leicht geschehen kann.) Da aber die Selbständigkeit der Gattung jedenfalls bestritten war auch Pax, 1910, S. 279 hatte sie nicht anerkannt —, und ich anderseits ein Eingehen auf die einzelnen Genera nach Möglichkeit vermeiden wollte (s. S. 57), so ließ ich ihr die ihr von Delage Hérouard gegebene Stellung als Genus Zoanthideorum sed. inc. Richtiger hätte sie bei Vermeidung eines für eine Stellung- nahme erforderlichen näheren Eingehens als Genus dubium be- zeichnet werden sollen, und es wäre wohl auch ein Hinweis auf Verrill zweckmäßig gewesen. Nachdem die Sache aber hier wieder zur Sprache gekommen ist, trete ich entschieden für die Selbständigkeit des Genus Bergia ein, insbesondere wegen des Fehlens von Flimmerstreifen der Mesenterialfilamente bei ihm im Gegensatz zu Parazoanthus. Wenn mir aber somit auch keinerlei Angabe Duerdens entgangen ist, so sei doch als weiteres Beispiel dafür, wie leicht einem sogar eine ganze Reihe von Angaben entgehen kann, ohne daß man deshalb »offenbar ohne sich darüber zu vergewissern ...« vorgegangen ist (wie Pax mir vor- wirft), und zugleich als Ergänzung der von Pax 1914, S. 533 gegebenen Tabelle der Parasiten der Priapidea auf die verschiedenen daselbst fehlenden Angaben verwiesen”.

7 So fehlt dort die interessante Holotriche Foettingeria actiniarum (Clap.), die ursprünglich aus dem Gastralraum von Priapus equinus »und anderer Actinienarten« von der Küste der Normandie und von Jourdan (1880, S. 27 u. 76f.) [ohne Namen] aus derselben Art aus dem Golf von Marseille beschrieben, von Caullery u. Mes- nil aus dieser, Anemonia sulcata und Tealia crassicornis und von André aus Ane- monia sulcata, » Equina echinata« und Heliactis bellis angegeben wurde. Ebenso fehlt daselbst Burychilum actiniae André aus dem Gastralraum von Sagartia para- sttica.

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Den vielfach und auch von Pax als Unterordnungen betrachteten 3 Hauptgruppen der Madreporinei habe ich deshalb nur den Rang von Triben gegeben, weil die Unterschiede zwischen ihnen von geringer morphologischer Bedeutung sind und außerdem bekanntlich durch zahl- reiche Formen in mannigfacher Weise überbrückt werden (s. z. B. Bourne, 1900, S. 70f.). Auch Pax erkennt ja anscheinend an, wie wenig scharf sie geschieden sind; aber solchen Abteilungen kann man eben konsequenterweise nicht den doch relativ hohen Rang von Unterordnungen geben, und zwar auch dann nicht, wenn man die Madreporineen wie Pax als eine eigne Ordnung betrachtet. Eher ist sogar der von Triben schon zu hoch für sie. Allerdings wurden bisher, wenn die Familien einer Ordnung auf Einheiten einer höheren Kategorie verteilt wurden, diese meist ohne Rücksicht darauf, ob sie nun nahe oder aber nur ziemlich entfernt mit- einander verwandt waren, einfach als » Unterordnungen« bezeichnet, und nur dort, wo Einheiten zweier oder mehrerer verschiedener Rangstufen unterschieden wurden, auch andre Kategorien verwendet. Und ganz analog wie innerhalb der Ordnungen verfuhr man natürlich auch innerhalb der Gruppen aller andern obligatorischen Kategorien. Bei dem bisherigen Zustande der Terminologie der Kategorien war dies auch nur zu begreiflich, wie ich 1912a, S. 834 darlegte. Ebenso be- greiflich ist es freilich auch, daß eine derartige Schematisierung den so mannigfach verschiedenen Abstufungen der Verwandtschaft, dieunsin der Natur entgegentreten und die zum möglichst getreuen Ausdruckzubringen das Ziel jeder nach Natürlich- keit strebenden Systematik sein muß, in sehr vielen Fällen durchaus nicht gerecht werden konnte. Die notwendige Folge war, daß sehr oft Gruppen einer Rangstufe tatsächlich ganz ver- schiedenen Rang besaßen was ja schon von mehr als einem Autor erkannt worden ist. Da aber die Kategorien des Systems der Maßstab sind, den wir bei den verschiedensten vergleichenden Untersuchungen anlegen und anlegen müssen (z. B. solchen über das Tempo der phylo- genetischen Entwicklung, das Verhalten bei Kreuzungen, die Fauna verschiedener Areale, die Verbreitung bestimmter Gruppen, die Bezie- hungen zwischen der systematischen Verwandtschaft von Parasiten und der ihrer Wirte usw. usw.), so wirkt ein solches Verhältnis, ganz abgesehen von demunrichtigen Ausdruck dersystematischen Beziehungen als solchem, auf viele Gebiete unsrer Wissen- schaft störend und irreleitend ein. Es ist daher von den verschie- densten Gesichtspunkten aus sehr zu wünschen, daß jener Ubelstand je eher je lieber nach Möglichkeit beseitigt wird; und dies wird durch eine präzise, klare Terminologie und eine für alle Fälle ausreichende

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Zahl der systematischen Kategorien außerordentlich erleichtert. (Cf. Poche, t. c., S. 833—836 und den von mir 1915, S. 514 angeführten trefflichen Ausspruch Haeckels.)

Bei den Aporosa »hätten nach meiner Ansicht die Forschungen Verrills stärker berücksichtigt werden sollen«. Vielleicht hat Pax damit recht. Da er oben ausdrücklich anerkannt hat, daB Familien- namen, die nicht von einem Gattungsnamen abgeleitet sind, geändert werden müssen, so ist es inkonsequent, daB er (S. 335) den Namen Ple- sioporitidae beibehält. Möglicherweise handelt es sich aber dabei nur um ein Ubersehen.

Betreffs der »ausnahmslos auf wenige, noch ungenügend erforschte Typen begründeten Familiene Amphianthidae, Sicyonidae, Polyopidae und Octineonidae sagt Pax: »Leider hat es Poche auch hier unter- lassen, die Stellung dieser Familien durch Diagnosen zu fixieren. Er hätte sich sonst leicht von der Richtigkeit der von Carlgren schon vor 15 Jahren ausgesprochenen Vermutung überzeugen können, daß z. B. Sicyonis den Actinostolinae zuzurechnen ist, aber auch die übrigen Familien kaum Anspruch auf Selbständigkeit haben. « Ein »binden- des Urteil« über diese kann also derzeit nach Pax’ eigner Darstellung nicht abgegeben werden. Da wäre es doch nur billig, wenn Pax mir hier den Standpunkt zugute kommen ließe, den er oben mit eben jener Begründung gegen meine Nichtanerkennung der Familie Sphe- nopidae eingenommen hat: » Wir tun daher wohl gut, sie vorläufig bei- zubehalten.« Die von ihm vermißten Diagnosen hätte Pax an den von mir bei den Namen der Familien und bei deren Synonymen zitierten Stellen leicht finden können; dies war ein Hauptzweck jener Zitate. Keineswegs aber lag es im Plan meiner Arbeit, Diagnosen sämtlicher Gruppen zu geben (cf. S. 47f.). Vielmehr habe ich dies nur dort getan, wo ich eine Einheit neu aufstellte, oder wo es mir infolge einer von mir vorgenommenen einschneidenden Anderung ihres Umfanges oder zur Hervorhebung eines Gegensatzes angezeigt erschien. Ferner hat an der einzigen in Betracht kommenden Stelle (1899, S. 40) Carlgren ledig- lich Sicyonis als »wahrscheinlich Actinostola nahe stehend« bezeichnet, über die Berechtigung der andern Familien aber keinerlei Vermutung geäußert®. Im übrigen ist es für mich gewiß ungemein schmeichelhaft, wenn Pax mir zutraut, daß ich mich durch das Geben von Diagnosen leicht davon überzeugen hätte können, daß die ge- dachten Familien kaum berechtigt sind. Denn nicht nur jeihre Autoren R. Hertwig und Fowler, sondern auch beziehentlich Delage Herou-

8 Um Pax auf keinen Fall Unrecht zu tun, sei bemerkt, daß er meiner persòn- lichen Meinung nach diese letztere Vermutung nicht Carlgren zuschreiben wollte; de facto hat er aber dies getan, und der Leser muß es aus seiner Angabe entnehmen,

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ard und Anthozoenforscher wie Bourne und McMurrich (der die Sicyonidae und Polyopidae sogar als Familien anführt, die »well authen- ticated« scheinen) haben sie anerkannt und (außer dem letztgenannten) Diagnosen oder wenigstens sonstige Charakterisierungen derselben ge- ~ geben, ohne zu jener Erkenntnis zu kommen. Und da infolge des völ- ligen oder fast völligen Mangels neuerer Mitteilungen über sie meine Diagnosen an Tatsachen auch nicht oder kaum mehr hätten enthalten können als was bereits jenen Autoren vorlag, so wage ich nicht zu glauben, daß ich durch solche so leicht zu ihr gekommen wäre. Da aber Pax 1914, 8. 607 für seine Übersicht ausdrücklich den Anspruch er- hebt, daß »alle Familien Aufnahme gefunden« baben (von den Gat- tungen dagegen nur die, deren Stellung »einigermaßen gesichert er- scheint«), so hätte er zumal angesichts der mehrfachen Acceptierung jener Familien sie (bzw. die betreffenden Genera) wohl auf jeden Fall irgendwie erwähnen sollen. Bei dieser Gelegenheit sei richtiggestellt, daß der Name Gonactinidae von Carigren nicht, wie von mir ange- geben, erst im Jahre 1900, sondern schon 1893, S. 24 eingeführt wurde.

In seinen weiteren Darlegungen läßt Pax die beiden von ihm 1914 angenommenen Hauptgruppen der Priapinei, Protantheae und Nynan- theae, fallen und unterscheidet als solche die Actiniina und Stichodac- tylina. Diese sind völlig identisch mit den beiden Hauptgruppen jener, die ich, der Sache nach MeMurrich folgend, unterschieden hatte, während ich gegenüber neueren Verteidigungen jener ersteren Einteilung seitens Carlgrens ausführte, weshalb diese meiner Meinung nach nicht annehmbar sei. Es kann für mich nur erfreulich sein, daß Pax nunmehr zu demselben Ergebnis kommt. Da er aber den ganzen auf die »Hexacorallia« bezüglichen Teil meiner Arbeit teils kritisch, teils referierend durchgeht, so wäre es, statt wie er einfach an- zugeben: »Bei den A ctiniarien ist Poche in der Unterscheidung der den Familien übergeordneten Einheiten McMurrich gefolgt«, und dann (S. 331) ohne jede Bezugnahme auf meinen Artikel die gedachte Einteilung als eine » Änderung, die mir [Pax] durchaus geboten zu sein scheint« einzuführen, Pflicht einer objektiven Darstellung gewesen, wenigstensinirgendeiner Form darauf hinzuweisen, daß Pax in diesem Punkte der ja die Hauptstreitfrage der modernen See- rosensystematik bildet nunmehr entgegen seinem früheren Standpunkt jene Ansicht teilt, für die auch ich eingetreten war. Und um so mehr wäre dies geboten gewesen in Anbetracht des so herben ganz allgemeinen Urteils, das Pax (s. oben) über meine Klassifikation der Hexacorallien gefällt hat, und das hier doch auch von seinem Standpunkt aus nicht zutreffend ist. Es liegt mir aber fern, in dieser Unterlassung etwa eine böse Absicht erblicken zu wollen.

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45

Herausforderung und eine Begründung dreier von zahlreichen Zoologen gestellter Anträge zwecks Hinschrinkung der Zahl der Namens- anderungen und Abschaffung des liberum veto in der Nomenklatur- kommission. (Arch. Natgesch., 78. Jg., Abt. A, 8. Heft, p. 1—110.)

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[Stiles, ©. W.] (1912), Opinions rendered by the International Commission on Zoo- logical Nomenclature. Opinions 38 to 51. (Smithson. Inst. Washington, Public. 2060.) [Betreffs der Anführung Stiles’ als Autor dieser Veröffent- lichung verweise ich auf das von mir 1914a, p. 40 Gesagte. |

2. Zur Kenntnis der Plesiocerata. (Uber Diplopoden, 82. Aufsatz.) Von Karl W. Verhoeff, Pasing. (Mit 19 Figuren.) (Fortsetzung.)

Familie Glomeridae.

a. Brustschild und 4.—12. Tergit in der Hinterhälfte mit Lings- rippen, und zwar einer unpaaren medianen und fünf paarigen. Von Drüsen erzeugte Stäbchen fehlen. Brustschild-Schismen sehr lang, vom Hinterrand bis zum Vorderrand in Höhe der zweiten äußeren Längsrippe reichend. 6. Antennenglied nicht ganz doppelt so lang wie breit, 31/, mal länger als das 7. Außen- taster mit 3 Sinneszäpfchen. 17. Beinpaar des g' mit vierglied- rigem, 18. mit zweigliedrigem Telopodit. Telopoden an Präfemur und Femur mit borstentragendem Griffelfortsatz. Tergite mit Näpfchendrüsen.

1. Unterfamilie Doderoinae (Silvestri). (Einzige Gattung Doderoa.)

b. Brustschild und die übrigen Tergite niemals mit Längsrippen. Die Brustschild-Schismen sind meistens mehr oder weniger abge- kürzt, wenn sie aber eine Länge erreichen wie bei Doderoa, dann sind entweder von Drüsen erzeugte und durch Börstchen fest-

©

et

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gehaltene Stäbchen ausgebildet, oder es fehlen die Näpfchen- drüsen . . CRC

. Brustschildseiten mit kurzem Schisma am Hinterrande. Außen.

vor demselben erstreckt sich ein ungewohnlich breites Hypo- schismalfeld, indem das Brustschildvordertergit das Hinter- tergit in der Querrichtung bedeutend überragt. Diese Erweiterung des Hyposchismalfeldes erinnert zwar an diejenige der Gervai- sien, es ist aber trotzdem keine Spur einer Ohrgrube zu sehen. Vom Schisma zieht in weitem Bogen innen neben dem Rand der Brustschildseitenlappen eine Furche, welche eine Randkrempe absetzt. Tergite ohne Stäbchen. 6. Antennenglied 2—2'/ mal länger wie breit, ungefähr 6 mal länger als das 7. Außentaster des Gnathochilarium entweder mit 7—8 oder mit zahlreichen Sinnes- zäpfchen. 17. Beinpaar des G mit 2—3gliedrigem Telopodit, 18. Beinpaar mit frei gegeneinander beweglichen, außen nicht erweiterten Hüften und 4gliedrigem Telopodit. Telopoden ohne borstentragende Griffelfortsätze, aber mit starkem femoralen Fortsatzlappen, gegen welchen sich die beiden letzten Glieder zangenartig bewegen. 2. Unterfamilie Glomerellinae Verh. 1910. [Hierhin Glomerellina Silv. und Eupeyerimhoffia Bröl.]

. Das Hyposchismalfeld ist niemals zu einer besonderen Breite er-

weitert, einerlei ob das Schisma kürzer oder länger ist. Der von außen sichtbare Teil des Hyposchismalfeldes verschmälert sich allmählich nach hinten. Die Hüften des 18. männlichen Beinpaares bilden einSyncoxit oder bleiben getrennt, außen sind sie meistens stark erweitert. Die Telopoden zeigen verschiedenartige Eigen- tümlichkeiten, niemals aber den Typus von Glomerellinae e, f.

. Tergite mit zahlreichen zerstreuten Drüsengrübchen, aufer-

dem mit von Drüsen erzeugten und auf Börstchen befestigten Stäbchen, welche am Brustschild in 4 Reihen, an den übrigen Tergiten in 2 Reihen auftreten. Brustschild mit langem Schisma, welches nach vorn und oben in weitem Bogen verlängert ist, 17. Beinpaar des g' mit 2gliedrigem, 18. mit 4gliedrigem, ein- fachen Telopodit. Telopoden vom Glomeris-Typus. Außentaster des Gnathochilarium mit drei Sinneszäpfchen. 6. Antennenglied reichlich doppelt so lang wie breit, fast dreimal so lang wie das 7. Kopfkapsel vor den Schläfenorganen eckig herausragend. 3. Unterfamilie Adenomerinae Verh. 1912. (Einzige Gattung Adenomeris Ribaut.)

. Tergite weder mit Drüsengrübchen, noch mit Stäbchen. Brust-

schild zuweilen mit langem, meistens aber mit kurzem Schisma g, h.

ui

45

_g. 6. Antennenglied oben tief ausgebuchtet, in der Endhilfte

stark erweitert und keulenförmig, daher am Ende gut doppelt so breit wie am Grunde, 6. und 7. Glied seitlich stark zusammen- gedrückt, 7. Glied eine Scheibe bildend, die von der Seite gesehen vielmals breiter ist alt lang, die etwa 40 Riechkegel sitzen alle auf kleinen Grundscheibchen. Syncoxit des 18. Beinpaares des g' mit Mediannaht. An den Telopoden überragt der Syncoxit- lappen weit die syncoxalen Fortsätze, Femur nach innen stark erweitert in einen Lappen, außerdem Femur und Tibia mit häutigem Fortsatzlappen, Präfemur und Femur mit borsten- tragendem Griffel. Außentaster des Gnathochilarium mit zahl- reichen, sehr kurzen Sinneszäpfchen.

4. Unterfamilie Rhopalomerinae Verh. 1906. (Einzige Gattung Rhopalomeris Verh.)

. 6. Antennenglied oben höchstens seicht ausgebuchtet, meistens

aber gerade oder gewölbt, niemals in eine starke Keule verdickt. 7. Glied niemals in eine extrem lange Scheibe ausgezogen und immernuryienRiechkeseltrasendr nn... (2 1, k.

. Schisma des Brustschildes vorn im Bogen nach innen und oben

verlängert und daher dem von Adenomeris ähnlich. Kopfkapsel vor den Schläfenorganen eckig heraustretend. Aufentaster des Gnathochilarium nur mit drei Sinneszäpfchen. 6. Antennenglied 11/,-—2 mal länger als breit, kaum doppelt bis 31/, mal so lang wie das 7. Glied. 17. Beinpaar des g' mit 2ghedrigem Telopodit. Telopoden mit prifemoralem und femoralem, borstentragendem Griffel, femoraler innerer Erweiterung und femoralem, sowie tibialem häutigen Fortsatzlappen. Syncoxit nicht in einen auf- ragenden Lappen ausgezogen.

5. Unterfamilie Geoglomerinae n. subfam. (Hierhin Geoglomeris Verh. und Stygioglomeris Bröl.)

. Schisma des Brustschildes meistens mehr oder weniger verkiirzt,

wenn es aber etwas nach vorn verlängert ist, besitzen die betreffen- den Formen einfache Telopoden ohne femorale Erweiterung und ohne häutige Fortsatzlappen. Kopfkapsel vor den Schläfenorganen niemals eckig heraustretend. Aufentaster des Gnathochilarium bisweilen mit wenigen, meistens aber mit zahlreichen Sinnes- zapichen 10.41. ARR te Tm.

. Das 18. Beinpaar des Manmchents ist in bete ddn um-

gewandelt, indem stets entweder Femur oder Präfemur eine innere Erweiterung besitzt, gegen welche sich die folgenden Glieder ein- krümmen können und so ein Greiforgan bilden (Fig. 11 u. 16).

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An den Telopoden besitzen stets die Femora einen inneren Fort- satz (Fig. 14 u. 16), gegen welchen sich die 1—2 nachfolgenden Glieder einschlagen zur Bildung einer Zange. Dagegen besitzen die Telopoden weder borstentragende Griffel noch häutige Fort-

satzlappen.

6. Unterfamilie Glomeridellinae mihi.

1) Pigmentierte Formen mit deutlichen Ocellen. Das 12. (vor- letzte Tergit) ist als Semitergit ausgebildet. Präanalschild des g' ohne Fortsatzknoten. 17. Beinpaar des Gt mit 1—2 (3)gliedrigem Telopodit. Am 18. Beinpaar des g' ist das 2. Telopoditglied als Zapfen nach innen ausgezogen. Präfe- mur der Telopoden sehr gedrungen. Außentaster mit 3 bis

8 Sinneszäpfchen.

1. Tribus Glomeridellini mihi (= Glomeridellidae »Fam.« Silv. u. Bröl.). |

(Hierhin Glomeridella Latzel und wahrscheinlich auch Proto-

glomeris Bröl.)

2) Unpigmentierte Formen, denen Ocellen fehlen oder sehr ver- kümmert sind. Das 12. Tergit ist normal ausgebildet. Prä-

Fig. 10.

1

Fig. 10—12. Glomeridella kervillei pyrenaica n. subsp. Fig. 10. Die Hälfte des 11.—13. Ter- gites von oben gesehen und ein wenig auseinander geschoben. d, Vorder- grenze des Unterblattes der Dupli- catur des Präanalschildes. X 80.

analschild des cj mit vorragenden Fortsatzknoten am Hinterrande. 17. Beinpaar des Gt mit 3—4 gliedri- gem Telopodit. Am 18. Beinpaar des g* ist das 1. oder 2. Telopodit- glied als abgerundetes Kissen auf- gebläht. Präfemur der Telopoden groß, länger als breit, Syncoxit- lappen mit Nebenläppchen. Außen- taster mit etwa 18 Sinneszäpfchen.

2. Tribus Typhloglomerini mihi. (Einzige Gattung T'yphloglomeris Verh.)

m. Das 18. Beinpaar des Männchens ist nicht in Nebentelopoden um- gewandelt, da weder Präfemur noch Femur eine Erweiterung

besitzen. An den Telopoden ist zwar meistens auch durch femorale Vorragungen eine Greifvorrichtung ausgebildet, aber abweichend von der Zange der Glomeridellinen, indem entweder borsten- tragende Griffel oder häutige Fortsatzlappen entwickelt sind oder

4%

beides, nicht selten auch femorale innere Erweiterungen. Aufen- taster mit zahlreichen, mindestens 15, meistens aber 17—20 und mehr Sinneszäpfchen.

7. Unterfamilie Glomerinae (Verh. 1910) char. em. (Hierhin die meisten Glomeriden-Gattungen und darunter

auch die typische Gattung Glomeris.) 1) Ocellen fehlen, Körper pigmentlos und klein, Arten von 3 bis

2)

3)

es

=

61/, mm Länge. Borstengriffel am Prifemur und Femur der Telopoden sind vorhanden, Femur und Tibia derselben nicht verwachsen. 17. Beinpaar des g'mit zweigliedrigem Telopodit. 6. Antennenglied 21/;mal so lang wie breit, oben gerade be- grenzt oder leicht ausgebuchtet. 1. Tribus Spelaeoglomerini (Bröl.) mihi. (Einzige Gattung Spelaeoglomeris Silv.) Ocellen vorhanden, Körper größer und meistens pigmentiert, wenn aber unpigmentiert, dann ist das 6. Antennenglied unten bauchig erweitert. 17. Beinpaar des Gt mit 4—5 gliedrigem kelopodite 41 4 ara Telopodite des 17. Bu de g i und dt Endkrallen. Die Borstengriffel der Telopoden fehlen am Femur, am Präfemur sind sie durch Knötchen angedeutet, Femur stark nach innen erweitert, die Erweiterung fest- wandig, Femur und Tibia getrennt. 6. Antennenglied tonnen- förmig, d. h. sowohl oben als unten leicht herausgewölbt, 7. Glied doppelt so breit wie lang. 2. Tribus Onychoglomerini n. trib. (Einzige Gattung Onychoglomeris Verh.)

Telopodite des 17. Beinpaares des g' viergliedrig und ohne Endkrallen. Die Borstengriffel der Telopoden sind meistens vorhanden, wenn sie aber fehlen, besitzen die betreffenden Formen Fortsatzzipfel der Femora, welche nach hinten und endwärts gerichtet sind (zugleich fehlt die festwandige innere Femurerweiterung), außerdem ist das 6. Antennenglied nicht tonnenförmig gestaltet, sondern verläuft oben entweder gerade oder ist leicht eingebuchtet . . . . DAIRIREIN 15) 6; Femur und Tibia der Telopoden verwa SdB Femur Di zwei festen inneren Erweiterungen, die durch Bucht getrennt

‚sind, die endwärtige hinter die Tibia geschoben. Borstengriffel,

Borsten und häutige Lappen fehlen den Telopoden. 18. Bein- paar mit ungewöhnlich großem, in der Mediane sehr breitem und nahtlosen, nach oben in starke Muskelfortsätze ausge-

48

zogenem Syncoxit. Präanalschild des G' am Hinterrand mit 2 Fortsatzknoten. 6. Antennenglied oben gerade begrenzt, aber vor dem Ende plötzlich eingekrümmt, unten bauchig erweitert, d. h. in der Endhälfte nicht gleich breit bleibend, sondern gegen das Ende entschieden wieder enger werdend. 3. Tribus Malayomerini n. trib. (Einzige Gattung Malayomeris Verh.)

6) Femur und Tibia der Telopoden stets gesondert, Femur niemals mit zwei durch Bucht getrennten inneren Erweite- rungen. Borstengriffel sind meistens vorhanden oder wenigstens Borsten und häutige Lappen, Syncoxit des 18. Beinpaares niemals ungewöhnlich groß, in der Mediane kürzer und oft mit Naht, ohne lange Muskelfortsätze. Am Präanalschild des 9 kommen zwar bisweilen Auszeichnungen vor (Eindruck, Aus- buchtung oder Hocker), aber niemals 2 Fortsatzknoten.

4. Tribus Glomerini mihi.

(Hierhin Loboglomeris, Annameris, Haploglomeris, Glomeris und Hyleoglomeris.)

III. Gattungen der Tribus Glomerini.

Nachdem in der vorstehenden Ubersicht durch eine neue Charakte- ristik die Tribus der Glomerinen- Unterfamilie hervorgehoben worden sind, verblieben in der Tribus Glomerini nur die mit Glomeris zu- nächst verwandten Gattungen. Durch den folgenden Schlüssel erfährt die neue Gattung Annameris eine Bestimmung nach den wichtigsten Eigentümlichkeiten.

a. Präanalschild hinten, namentlich beim g' abschüssig und mit 3—5 beim ©! starken, beim © schwachen Lingsrinnen. Telo- poden sehr dick, mit langem borstentragenden Griffel an Präfemur und Femur, Tibia außen eingebuchtet, hintere Femurfläche ein- gedrückt und mit Längsfurchen. Syncoxit ohne eigentlichen Mittellappen, an seiner Stelle mit halbkreisförmiger, wulstig ge- randeter Ausbuchtung.

Loboglomeris Verh. 1906.

b. Präanalschild in beiden Geschlechtern ohne Längsrinnen. Tibia der Telopoden außen nicht eingebuchtet, hintere Femurfläche ohne Längsfurchen, Syncoxit mit Mittellappen. . . . c,d.

c. Die Seiten des Brustschildes zwischen Vorderrand und Schisma sind ungewöhnlich verdickt gewölbt (abweichend von allen andern Glomeriden), daher erscheint der Seitenlappen des Vordertergit (von vorn oder unten her) etwa viermal so breit

49

wie die Seitenlappen des Hintertergit. Randfurche besonders tief, daher der Seitenrand etwas rippenartig vorragt. Lappen des Syncoxit der Telopoden in 2 Lappen gespalten, Präfemur mit borstentragendem Fortsatz, Femur nach endwärts in einen stachel- artigen Fortsatz ausgezogen, Tibia mit häutigem Fortsatzlappen. 6. Antennenglied oben leicht ausgebuchtet, unten etwas bauchig erweitert, ungefähr in der Mitte am breitesten.

Annameris n. g.°. (Einzige bekannte Art A. curvimanus n. sp.)

d. Die Seiten des Brustschildes sind nicht besonders verdickt, daher erscheint der Seitenlappen des Vordertergit nicht oder nur wenig dicker als der des Hintertergit. Randfurchen nicht auffallend vertieft, Lappen des Syncoxit der Telopoden einfach . . e,f.

. Präfemora der Telopoden statt des langen Kegelfortsatzes nur mit kurzen Knötchen, Femora weder mit Kegelfortsatz noch nach innen erweitert, Femur und Tibia mit einem nach hinten gerich- teten häutigen Fortsatz. 6. Antennenglied oben fast gerade be- grenzt, unten im Grunddrittel schnell erweitert, dann weiterhin fast gleich breit bleibend, also nicht bauchig erweitert. Entweder ist das Präanalschild des g* jederseits aufgebläht oder die Schismen des Brustschildes sind vorn etwas verlängert.

&

Haploglomeris Verh. 1906.

(Hinsichtlich der beiden Untergattungen Haploglomeris s. str. und Schismaglomeris verweise ich auf S. 104 u. 105 im 36. Diplo- poden- Aufsatz, Zool. Anz. 1909, Bd. XX XV, Nr. 4/5.)

. Femur und Präfemur der Telopoden mit langem borstentragenden Kegelfortsatz. Es ist weder das Präanalschild des <j jederseits aufgebläht, noch sind die Brustschildschismen vorn verlängert g.h.

g. Das 6. Antennenglied ist oben gerade begrenzt und bleibt in der

Endhälfte fast gleich breit, ist also unten nicht bauchig er- weitert. Femur der Telopoden hinten nach innen etwas erweitert, aber nach endwärts ragt diese Erweiterung nicht heraus, sondern streicht mit ihrem Endrand quer und geht dann in einen häutigen Lappen über.

leur)

Glomeris m. (Enthält unter allen Glomeriden-Gattungen bei weitem die zahlreichsten Arten und Rassen.) h. Das 6. Antennenglied ist oben gerade begrenzt, aber vor dem Ende plötzlich eingekrümmt, unten bauchig erweitert, d. h. in

5 Benannt nach der ostasiatischen Landschaft Annam.

Zoolog. Anzeiger. Bd. XLVI. 4

50

der Endhälfte nicht gleich breit bleibend, sondern gegen das Ende entschieden wieder enger werdend. Femur der Telopoden hinten innen in einen starken Lappenfortsatz erweitert, welcher so sehr nach endwärts herausragt, daß am Endrand ein stumpfer Winkel entsteht.

Hyleoglomeris Verh.

IV. Annameris n. g.

Die Charakteristik dieser Gattung, welche sich z. T. schon aus der vorstehenden Übersicht ergibt, ergänze ich durch folgendes:

Außentaster des Gnathochilarium mit 18 Sinneszäpfchen. Kopf- kapsel hinter den Antennengruben etwas eingedrückt. Schläfenorgane stark quer gestreckt, Kopfkapsel vor ihnen ohne vorragende Ecke. Ocellen jederseits 10 + 1, der Einzelocellus (oben) und die drei untersten rundlich, die übrigen queroval. Seitenlappen des Collum etwas nach vorn vorgezogen. Durchlaufende Brustschildfurchen zahlreich, mehr als 10. Präanalschild des g* ohne besondere Auszeichnung. ‘Tarsus der Laufbeine unten mit zahlreichen Stachelborsten.

Hüften des 17. Beinpaares des g' außen in große, halbkreisförmige Lappen erweitert, welche nach endwärts bis zur Mitte des Femur reichen. Syncoxit des 18. Beinpaares unvollständig, indem es in der Mediane eine sehr deutliche Naht, hinter derselben aber eine nur schmale Verwachsungsbrücke besitzt, außerdem tiefe, rechtwinkelige Einbuchtung.

Annameris curvimana n. sp. © 20 mm lang, 101/, mm breit, 13mm lang, 7mm breit. Körper ockergelb, die Tergite unregelmäßig schwarz marmoriert, das Schwarze jederseits der Mediane, nament- lich beim Männchen, zu unregelmäßigen Flecken verschmelzend. (Die Zeichnung erinnert also etwas an diejenige der Glomeris conspersa.) Schwarze Medianflecke in einer Reihe sind nicht vorhanden. Präanal- schild nur mit unregelmäßigen zerstreuten Sprenkelfleckchen, ohne größere schwarze Flecke.

Labrum mit bogigem Wulst, zwischen diesem und dem Labrum- rand quer furchenartig eingedrückt. Clypeus mit zerstreuten, borsten- tragenden Grübchen, Scheitel etwas buckelig erhoben, gegen die An- tennengruben abgedacht. Collum von der Seite gesehen oben flach und vorn im Bogen abstürzend, der Vorderrand gegen die Ocellen jeder- seits etwas lappig vorgezogen (Fig. 19a, co). Collum mit zwei durch- laufenden, starken Furchen und dahinter einer abgekürzten. Hinter der 2. Furche jederseits neben dem Rande eine flache Vertiefung.

Brustschild mit 11—15 durchlaufenden Furchen, welche aber z. T. unregelmäßig verlaufen, indem sie sich namentlich auf der Rücken-

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héhe im mittleren Drittel stellenweise gabeln oder vereinigen. In den seitlichen Dritteln verlaufen die 11—13 Furchen regelmäßiger. Diese Furchen laufen z. T. am Vorderende des Schismas aus, z. T. oberhalb desselben, z. T. endigen sie unterhalb im Hyposchismalfeld. Das von außen her reichlich sichtbare Hyposchismalfeld verschmälert sich all- mählich nach hinten. Das Vorderende des Schismas liegt dem Hinter- rand etwas näher als dem Vorderrand.

Die Seiten des Brustschildes sind in einer mir sonst von keinem Glomeriden® bekannten Weise ausgezeichnet: Die Seitenlappen des Vordertergit sind nämlich außerordentlich verdickt und er- scheinen wie aufgebläht (Fig. 19a), so daß die Seiten-des Brustschildes (im Vergleich mit typischen Glomerinen) nach unten, vorn und innen herausgedrängt sind. Von oben und vorn gesehen sind die Seitenlappen des Brustschildes nicht nur etwas mehr gegen den Kopf zusammen- geneigt, sondern die seitlichen Rundungen bilden auch zugleich vorn einen allerdings stark abgerundeten Winkel in der Gegend der Seiten- strecken der vordersten Furche vor dem Schisma. Daß die Aufblähung besonders das Feld zwischen Randfurche und vorderster durchlaufender Furche betrifft, geht aus der bedeutenden Breite dieses Feldes hervor, welches fast die Breite des von den 11—13 seitlichen Furchen einge- nommenen Raumes erreicht. Dieses Randfeld (Fig. 19a, ar) setzt sich auch auf das Hyposchismalfeld fort und bewirkt an diesem ebenfalls eine ungewöhnliche Breite, die aber weniger von außen als von vorn oder unten ersichtlich wird. Bei der Betrachtung von vorn oder hinten ist nicht nur das Schisma tiefer als gewöhnlich, sondern vor allem er- scheint der Seitenlappen des Vordertergit mehrmals (etwa 4mal) breiter _ als der des Hintertergit. Zugleich hebt sich der von der Randfurche scharf abgesetzte, etwas krempige Rand im Profil rippenartig ab (Fig. 19a u. b, 7), zumal das Randfeld gegen ihn steiler als gewöhnlich abfällt. Die untere (innere) Fläche der Seitenlappen des Vordertergit (bei andern Glomerinen flach oder nur seicht ausgebuchtet), zeigt hier eine tiefe, muschelartige Aushöhlung (Fig. 19b, 9). Rücken glatt und glänzend, kaum merklich punktiert.

Die Seitenlappen des 4. Tergit laufen sehr schmal aus, am 4, bis 6. Tergit sind sie abgerundet, am 7.—12. breit und abgestutzt. Am 4,—12. Tergit finden sich auf den Seitenlappen 4—6 Furchen, welche nach hinten abgebogen sind, außerdem eine Randfurche. Hinterrand des Präanalschildes in beiden Geschlechtern ohne Ausbuchtung, beim gt ist die Abdachung jederseits breit und seicht, wenig eingedrückt.

17. Beinpaar des Gt mit 4gliedrigem Telopodit, Tarsus etwas

6 Vol. aber unten in der Anmerkung die Angaben über Rhopalomeris. 4*

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säbelig gebogen, in der Grundhälfte etwas angeschwollen, Hüften quer, in 2 Abschnitte zerfallend, eine niedrige, telopoditführende innere und eine doppelt so hohe äuBere, welche mit halbkreisférmigem Lappen herausragt. 18. Beinpaar mit 4gliedrigem Telopodit, das kurze Syncoxit in der Mediannaht halb so lang wie am inneren Grund des Präfemur. Jederseits des rechtwinkelig ausgeschnittenen Randes mit kegeligem Vorsprung, Tarsus schwach gebogen.

Die Telopoden (Fig. 17) nähern diese Form in ausgesprochener Weise der Haploglomeris multistriata, namentlich hinsichtlich der Fort- sätze an Femur und Tibia, doch sind zwei namhafte Unterschiede ge- geben durch den viel stärkeren präfemoralen Fortsatz und die Spaltung des Syncoxitlappens. Femur mit einem festen, nach endwärts gerich-

Fig. 11. Fig. 13. { Fie 12. pr

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Host Nebentelopod von hinten gesehen. sco, seitliches Stück des Syncoxit; prf, Präfemur; fe, Femur. X 220. Fig. 12. Ein 17. Bein des 5. X 125. Fig. 13. Glomeridella kervillei Latzel (genuina). Nebentelopod von vorn her darge- stellt. X 220. teten, stachelartigen Fortsatz, welcher hinter die Tibia geschoben ist. Der Spitze dieses Fortsatzes gegenüber steht hinten in der Endhälite der Tibia ein kurzer, nach innen gerichteter spitzer Fortsatz (l) und außen von diesem ein abgerundeter Höcker (4). Das Enddrittel des Tarsus ist etwas hakig nach innen eingekrümmt.

Vorkommen: Die zoologische Sammlung des bayrischen Staates in München besitzt eine Anzahl Individuen dieser Art aus Tongking, deren genauerer Fundplatz nicht angegeben ist. 2 Stück derselben wurden mir durch Tausch überlassen.

Anmerkung: Aus dem südöstlichen Asien habe ich bisher 4 Glo- meriden-Gattungen nachgewiesen, und zwar Malayomeris und Hyleo-

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glomeris von den malaiischen Inseln (Sumatra, Borneo, Celebes) Rhopalo- meris von Malakka und Annameris von Annam. Letztere Gattung nähert sich den europäischen Glomerinen sowohl durch die Copu- lationsfüße als auch durch das Auftreten einer Zeichnung auf den Tergiten, nimmt aber durch die Brustschild - Seitenaufschwellungen wieder eine absonderliche Stellung ein, ebenso durch die große Zahl der Brustschildfurchen, hinsichtlich derer sie die andern Ostasiaten noch übertriift.

Eine wichtige Beziehung zu Rhopalomeris kommt dadurch zum Ausdruck, daß diese Gattung eine Andeutung zu einer Auf- blähung der vorderen Brustschildseiten aufweist, indem das Randfeld

Fig. 14.

Fig. 14 Typhloglomeris coeca Verh. Ein Telopodentelopodit von hinten gesehen (das Präfemur [prf] ist teilweise fortgelassen); #, unvollständige Tibia. X 125. Fig. 15. Glomeridella germanica norica n. subsp. Syncoxit der Telopoden von vorn her betrachtet. g, Gelenk zwischen Syncoxit und Telopodit. X 125. ungefähr die halbe Breite des Randfeldes von Annameris und dem- entsprechend der Vordertergitseitenlappen zwar nicht die Stärke dessen bei jener Gattung erreicht, aber doch entschieden dicker ist als in den typischen Fällen. Zugleich tritt wie bei Anmameris eine deutliche

Randleiste zutage.

V. Glomeridella germanica norica n. subsp. Unterscheidet sich von germanica (genuina) nur durch das Syncoxit der Telopoden (Fig. 15), welches folgende Eigentümlichkeiten besitzt: 1) läuft der große Endschild des Syncoxit dreieckig aus und bildet am Endrand eine Ecke mit stumpfem Winkel (während er bei der Grundform breit abgerundet ist, vgl. Fig. 15 im 57. Dipl.-Aufsatz, auf Taf. XVIII der Sitzber. Ges. nat. Freunde, Berlin 1912, Nr. 8),

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2) ragt der Endschild nach den Seiten nur wenig über die Syncoxit- fortsätze hinaus (während er sie bei der Grundform seitlich mit breitem dreieckigen Feld überragt), |

3) sind die inneren Basen der Syncoxitfortsätze ungefähr mit der Mitte des Endschildes verwachsen (bei der Grundform dagegen bleiben sie fast bis zum Grund desselben frei.)

ag" Körper schwarz mit 3 Reihen grauweißer Flecke, 4 mm lang, Präanalschild mit seichtem Längseindruck, Brustschild mit drei durch- laufenden Furchen.

© braunschwarz, 41/;, mm lang. Präanalschild ohne Eindruck; sonst ebenso.

Vorkommen: Ein Pärchen sammelte ich 24. IV. unter Fagus- Laub in etwa 1000 m Höhe bei Salzberg nächst Hallstadt und 23. IV. ebenso in 1150 m Höhe am Tressenstein bei Aussee.

VI. Glomeridella kervillei pyrenaica n. subsp.

Stimmt mit der typischen kervillei-Form im übrigen überein, unter- scheidet sich aber durch folgendes:

1) weichen die Nebengonopoden (Fig. 11) von denen der kervillei genuina (Fig. 13) durch die Femora ab (fe), welche am Grunde schmäler sind (nämlich nicht breiter als die Tibia), am Ende dagegen doppelt so breit wie am Grunde, so daß die dreieckigen Fortsätze in der Mitte fast zusammenstoßen. (Bei der Grundform dagegen sind die Femora am Grunde breiter als die Tibia und am Ende höchstens 12/ mal breiter als an der Basis, auch ragen die Fortsätze weniger nach innen, so daß sie weit voneinander getrennt bleiben.) Die Tibia springt nach innen etwas vor, und der Tarsus ist außen leicht ausgebuchtet,

2) ist das 17. Beinpaar des Gt (Fig. 12) im Gegensatz zu den übrigen bekannten Glomeridellen durch ein 2—3gliedriges Telo- podit ausgezeichnet, nämlich ein von vorn oder hinten viereckig er- scheinendes Präfemur und ein durch ein typisches Gelenk davon ge- trenntes, längliches, weiteres Glied, welches durch eine schwache Naht (g) in 2 Abteilungen abgesetzt ist.

Vorkommen: Vor einigen Jahren erhielt ich auf dem Wege des Austausches durch Prof. H. Ribaut einige Diplopoden aus den Pyrenäen und unter ihnen auch einige Stücke der G. kerviller. Neben der typischen Rasse befand sich darunter ein cj der vorstehend be- schriebenen Form, dessen genauerer Fundplatz leider nicht zu er- mitteln ist.

VII. Kritische Bemerkungen zu den Glomeriden-Gruppen.

Das obige neue System der Plesiocerata hat nach 3 Richtungen neue Beziehungen festgestellt:

55

a. hinsichtlich der verwandtschaftlichen Stellung von Doderoa,

b. im Nachweis des näheren Zusammenhanges von Glomeridella und Thyploglomeris und

c. durch die Abtrennung der Geoglomerinae als einer mit . Adenomeris verwandten Unterfamilie. Besonders auffallend kommt diese Verwandtschaft durch die Übereinstimmung im Bau der Kopt- kapsel zum Ausdruck.

Was die Verwandtschaft von Glomeridella und Typhloglomeris be- trifft, so möchte ich noch die Telopoden der letzteren Gattung besonders erwähnen. Bisher liegt nur eine Abbildung der Telopoden von Typhlo- glomeris coeca Verh. vor, gegeben auf Taf. VII, Fig. 1 des Archiv f. Nat. 1898 im V. Aufsatz meiner Diplop. aus Bosnien, Herzegowina und Dalmatien. Auf S. 161 schrieb ich, daß die Telopoden »am 1. Tarsale«, d. h. nach der neueren Bezeichnung der Beinglieder, an der Tibia oder dem vorletzten Gliede ausgerüstet sind »mit einem Fortsatz, der an die sonstigen Fingerfortsätze bei Glomeris erinnert«.

Hiermit ist also zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß dieser Fortsatz ein festes Gebilde vorstellt, weshalb es mir unverständlich ist, wie Brölemann in seiner Biospeologica XXXI, S. 427 daraus einen »sac membraneux rudimentaire« hat machen können. Eine er- neute Untersuchung hat nun ein recht interessantes Ergebnis geliefert, welches durch Fig. 14 erläutert werden soll. Der Telopodenfortsatz gehört nämlich gar nicht zum vorletzten Gliede, obwohl das bei An- wendung schwächerer mikroskopischer Vergrößerung der Fall zu sein scheint. Die Telopodentibia ist nämlich nicht mehr vollkommen selb- ständig, sondern an der Hinterfläche mit dem Femur verwach- sen, an der Vorderfläche aber durch Naht von ihm getrennt (2, Fig. 14). Dementsprechend bemerkt man außen eine Einschnürung. Der am Ende abgerundete Telopodenfortsatz, welcher mit dem nach oben gegen ihn einschlagbaren Tarsus eine Zange bildet, gehört aber zum Femur und ist ganz an dessen äußersten Endrand gerückt, weil hinten die genannte Grenze verwischt worden ist. Diese Verhältnisse sind eine Anpassung an die Zange, denn die vorn erhaltene Tibia- naht gestattet dem Tarsus eine leichte Ausschlagbewegung, während durch die hinten verwischte tibio-femorale Grenze, d.h. durch die Ver- wachsung beider Glieder, bei der Einschlagbewegung die Basis des Fort- satzes und damit der Widerstand verstärkt wird.

Es folgt aber aus dem Gesagten, daß die Telopoden von Typhlo- glomeris im Grundzug mit denen von Glomeridella übereinstimmen, namentlich dieselbe Zangeneinrichtung besitzen. Da nun an den Nebentelopoden (18. Beinpaar) von Typhloglomeris das 1. oder 2. Telopo- ditglied weit heraus gestülpt ist, so daß die weiteren Glieder sich als

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Greiffinger gegen die Ausstülpung bewegen können, so zeigen T'yphlo- glomeris und Glomeridella im Grundzug des Baues auch in den Neben- telopoden Übereinstimmung. Das gleichzeitige Vorkommen von

PERI ng

Fig. 16. Glomeridella larii Verh. Copu- lationsfüße von hinten gesehen, die linken Telopodite sind fortgelassen. 2, Syncoxitwulst; h, Puffer; ted, Telopo- denbrücke. X 125.

Bedeutung ist,

Greiforganen an Telopoden und Nebentelopoden, im Ver- ein mit Ùbereinstimmung im Bau der Telopodenzangen, beweist die nähere Verwandtschaft dieser bei- den Gattungen, zumal sich auch im Bau der übrigen Organe, namentlich des Brustschildes und der übrigen Tergite, keine erheb- lichen Abweichungen darbieten. Das über die Telopodenzangen von Zyphloglomeris Gesagte be- zeugt übrigens, daß die von Brö- lemann besonders betonte Ein- gliedrigkeit der Telopoden- Zangenfinger von nebensächlicher

denn dem geschilderten Zustand von Typhloglomeris

muß phylogenetisch notwendig ein andrer mit vollkommen zweiglie- drigem beweglichen Zangenfinger vorausgegangen sein.

GEE / AN \ Ve PIA 5 Va - 5 =A ~ #2 Ae / / / f ) Î i | N ; I ad, | \ \ 7 PIT \ | e = N

Fig. 17. Annameris curvimana n. g. n. sp. Syncoxit und rechtes Telopodit der Telopoden von hinten her dargestellt. X 80.

Bei Glomeridella ist allerdings der bewegliche Finger entschieden

eingliedrig.

Hinsichtlich des Syncoxit der Glomeridella- Telopoden er-

57

wähne ich die von Brölemann a. a. O., S. 425 abgebildeten »piéces chitinisées« der »face postérieure«, welche er als »épaissements de la membrane beschreibt, d. h. der Haut hinter dem Syncoxit von Glomeri- della kervillei. Er beschreibt sie ferner auf S. 427, wo es heißt: »Ces | plaques chitinisées prennent l’aspect de pièces distinctes, à tronc grêle surmonté d’un renflement en tête d’oiseau«. Daf diese vogelkopfartigen Stücke mit der »brièveté du corps de l’animal« nichts zu tun haben, ergibt sich aus dem folgenden ohne weiteres.

Brölemann scheint anzunehmen, daß diese vogelkopfartigen Stücke allen Glomeridella-Arten zukommen, was aber nicht zutrifit. Dagegen hat er vollkommen recht, wenn er diese Gebilde von kervillei homolog setzt den Teilen bei Jari’, welche in Fig. 11 auf S. 423 meines 57. Aufsatzes, a. a. O. mit »w« bezeichnet und in meiner Diagnose dieser Art irrtümlich als »Präfemurfortsätze« bezeichnet wurden. In Fig. 16 habe ich die Telopoden und Nebentelopoden von lara in der Ansicht von hinten her dargestellt, um zu zeigen, daB diese den vogel- kopfartigen Stücken entsprechenden Fortsätze (h) physiologisch Puffer zwischen dem Syncoxit und den Telopoditen beider Zangenfüße bilden. Diese Puffer sind notwendig, weil sich bei Glomeridella die Neben- gonopoden mehr oder weniger zwischen Telopodit und Syncoxit der Telopoden eindrängen. Hinter den Telopoden erstreckt sich ein breites häutiges Feld (ted), welches bei lari? besonders deutlich als eine abgesetzte Querbrücke zu erkennen ist. Es handelt sich hier jedoch nicht um eine Verbindungshaut zwischen Telopoden und Analklappen, sondern um einen Teil des Syncoxit, welcher bei allen Plesio- cerata mehr oder weniger häutig geworden ist in Anpassung an den Umstand, daß die Telopoden nach hinten herausgestreckt werden und vom Präanalschild an ihrer Basis eine schützende Bedeckung erfahren. Daß nun die Puffer (vogelkopfartigen Stücke) eine Ausgestaltung des hinteren häutigen Syncoxitabschnittes vorstellen, lehrt mit aller Deutlichkeit ein Vergleich der verschiedenen Glomeridella- Arten. Bei germanica und norica (Fig. 15 h) finden sich nämlich nur die Anlagen zu solchen Puffern in Gestalt kleiner Wülste. Daß aber diese Wülste den deutlich herausragenden Puffern der andern Arten homolog sind, geht daraus hervor, daß sie sowohl an derselben Stelle neben dem Grund des Syncoxitaufsatzes liegen, als auch dieselbe Struktur besitzen. Die Wülste und Puffer sind nämlich durch eine sehr dichte Zusammendrängung feiner Wärzchen ausgezeichnet, wie sie in solcher Weise am Syncoxit nicht weiter vorkommen.

An der Hinterfläche des Syncoxit von lard (Fig. 16) läßt sich der Zusammenhang der Puffer (4) mit dem Syncoxitaufsatz und der hinteren Querbrücke besonders schön erkennen, indem einerseits ein dreieckiger

58

Mittelwulst (20) Aufsatz und Querbrücke verbindet, anderseits Aufsatz und Puffer durch kleine Fältchen (a) verbunden sind. Semitergit von Glomeridella.

Seit der Begründung der Gattung Glomeridella herrscht die Ansicht, daß sie sich durch den Besitz von nur 8, statt 9 Mitteltergiten vor den übrigen Glomeriden auszeichne, sagt doch schon Latzel 1884 für

Fig. 18a.

x = ae qd n = ES x À. N ah AN È & i, SI, N i

3 poses 22 3 > | so: ST 6 È ope ee >

Fig. 18a. Hyleoglomeris multilineata Verh. Die letzten Antennenglieder (6.—8.) von 3 der Seite gesehen. X 80.

Fig. 18b. Haploglomeris multistriata Latzel. Dieselben. X 80. seine » Glomeris minima<, »es sind nur 11 Rückenschilde deutlich ent- wickelte. Obwohl ich nun bereits im 57. Aufsatz diese Anschauung beiläufig bemängelt habe, schreibt doch Brölemann, Sept. 1913 auf

S. 426 wieder ausdrücklich . . . »toutes des espèces connues ne présen- Fig. 19a. Fig. 19b. CA CO LEI 18 == 227, il I -4--ar ii al .W 1 SCR N J : LA

Fig. 19a u. b. Annameris curvimana n. g. n. sp.

Fig. 19a. Rechte Brustschildseite von vorn gesehen. co, Stück des Collum; sch, Schisma; 7, Randleiste; ar, Randfeld; s, die vordersten Furchen, schwach ver- größert.

Fig. 19b. Dieselbe von hinten her gesehen. hr, Hinterrand; g, Aushöhlung; J, Leibes- höhle.

tent que 11 tergites au lieu de 12.« Ich will davon absehen, daß Bröle- manns Zählung insofern unzutreffend ist, als er das Brustschild als

einfaches statt als Doppeltergit zählt und daher das auf das Brust- schild folgende Tergit stets als »3.« bezeichnet, statt als 4., wie es ver-

99

gleichend-morphologisch notwendig ist, vielmehr betrachte ich es als meine Aufgabe, der falschen Anschauung, als wenn Glomeridella ein Tergit weniger besäße wie die übrigen Glomeriden, endlich ein Ende zu bereiten:

Es besitzen nämlich alle bekannten Glomeriden, auch Glomeridella, dreizehn Tergite, d. h. zehn auBer Collum und Brustschild, und die Besonderheit von Glomeridella besteht nicht etwa darin, daß das 12. Tergit fehlt, sondern daß dessen mittleres Spangenstück verkümmert und als schmaler Streifen mit dem Präanalschild verwachsen ist (Fig. 10 y. Die Seitenlappen des 12. Tergit sind dagegen sehr gut ausgebildet und vom 11. sowohl als auch 13. Tergit scharf getrennt. Zwischen diesen Seiten- lappen des 12. und 13. Tergit besteht aber nicht nur eine Naht, sondern auch noch eine feine Duplicatur des 12. Tergit, welche über das 13. hinweggreift (Fig. 10, b). Ich bezeichne dieses 12. Tergit von Glomeri- della als Semitergit, um seinen Gegensatz zu andern Tergiten und das verschiedene Verhalten des Mittelstückes und der Seitenlappen hervor- zuheben. Anschließend erwähne ich die Gattung Gervaisia, bei welcher das 12. Tergit anders als bei @lomeridella wirklich verkümmert ist. Bei Gervaisia kann also von einem Semitergit nicht mehr die Rede sein. Ich verweise auf den 25. Aufsatz, Zool. Anz., Okt. 1906, Fig. 10 u. 13, wo mit s/ die vollkommen in das Präanalschild eingeschmolzenen Seiten- lappen bezeichnet wurden, die als letzte Überreste eines 12. Tergites zu betrachten sind.

Dem 17. männlichen Beinpaar der Glomeriden wurde von Brölemann eine besondere systematische Bedeutung auch für die größeren Gruppen (Unterfamilien und »Familien«) zugesprochen, eine Auffassung, welcher ich mich nicht anschließen kann, da dieses Glied- maßenpaar einerseits den ausgesprochenen Charakter eines verküm- mernden Organs trägt und anderseits nirgends Anzeichen besitzt, eine neue Bahn einzuschlagen, obwohl das doch bei vielen andern Glied- maßen der Diplopoden sich in der Organumwandlung bemerklich macht. Daraus schließe ich, daß die Gliederzahl des 17. Beinpaares der Männchen zwar für Gattungen bedeutsam ist, für Tribus oder Unterfamilien aber nur sekundär in Betracht gezogen werden darf.

Wir haben von dem noch ein bekralltes Laufbeinpaar darstellenden 17. männlichen Beinpaar von Onychoglomeris bis zu dem nur einen ungegliederten Telopoditstummel aufweisenden verkümmerten Glied- maßenpaar der meisten Glomeridellen alle möglichen Übergänge.

Auf eine unverkennbare Beziehung zwischen Körpergröße und Verkümmerung des 17. Beinpaares der Männchen sei hier ebenfalls verwiesen: Es ist sicherlich kein Zufall, daß Onychoglomeris mit dem

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starken 17. Beinpaar zu den großen Glomeriden gehört und daß die 1-2 gliedrigen Telopodite des 17. Beinpaares überall sich bei Gattungen mit kleinen Arten vorfinden, während die 4 gliedrigen Telopodite derselben Gattungen mit größeren Arten eigentümlich sind. Die kleinen Arten sind mehr als die großen auf Materialersparnis an- gewiesen und sparen es in diesem Falle an einem Gliedmaßenpaar, dessen physiologische Bedeutung ohnehin verloren gegangen ist.

Übrigens findet eine ähnliche Beziehung zwischen Körper- größe und Organausprägung statt hinsichtlich der Zahl der Sinnes- zäpfchen an den Tastern, besonders den Außentastern, denn alle kleinen Formen besitzen an den Außentastern nur wenige Sinnes- zäpfchen, die großen Formen dagegen zahlreiche, meistens 15—20. Eine Ausnahme macht nur Spelaeoglomeris, welche trotz geringer Größe noch zahlreiche Sinneszäpfchen der Außentaster aufweist.

Spelaeoglomerini: Diese im obigen System begründete Tribus hat auch Brölemann in seiner »classification« namhaft gemacht, jedoch ohne alle Charakteristik. Da er ferner die Gattungen Hyleoglomeris, Spelaeoglomeris, Geoglomeris und Stygioglomeris namhaft gemacht hat, stellen seine»Spelaeoglomerina« eineunnatürliche Gruppe dar, die er übrigens seinen »Gervaisiidae« subordiniert hat.

Rhopalomerinae: Brölemann schreibt à. a. O., 8.437 » Verhoeff a compris dans la sous-famille des Rhopalomerinae trois genres Rhopalomeris, Malayomeris et Hyleoglomeriss und knüpft daran weitere Bemerkungen. Diese Behauptung ist aber total falsch, denn es ist mir nirgends eingefallen, diese 3 Gattungen in eine Gruppe zu bringen, weder im 24. Aufsatz 1906, in welchem ich S. 193 die Rhopalomerinae begründete, als die beiden andern Gattungen noch gar nicht bekannt waren, noch im 41. Aufsatz 1910, in welchem ich Malayomeris und Hyleoglomeris beschrieben habe. Hier heißt es S. 242 ausdrücklich von Rhopalomeris: »Es genügt, diese Gruppe als Unterfamilie abzu- trennen, wenn auch z. Z. zwischen den Antennen der Rhopalomeris und denen der übrigen Glomeriden eine tiefe Kluft besteht!« S. 243 schrieb ich ferner:

»Die drei folgenden Arten (das sind nämlich Malayomeris und Hyleoglomeris) besitzen typisch gestaltete Antennen wie die echten Glomeris!« Trotzdem erzählt Brölemann seinen Lesern (S. 437): »Par contre les autres genres pourvus d’antennes normales, ne peuvent pas rentrer dans les Rhopalomerinae les a laisses Verhoeft influencé (!) par leur répartition geographique« . ….

Die Antennen von Malayomeris und Hyleoglomeris sind übrigens »normalese nur im Vergleich mit Rhopalomeris, im Vergleich mit

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Glomeris u. a. zeigen sie, wie Fig. 18a bezeugen möge, charakteristische Eigentümlichkeiten 7.

VIII. Über »Spelaeogervaisia jonescui< Bröl.

In Archives de Zoologie exper. et gén., T. 54, S. 99—104 Bio- speologica, XXXV, veröffentlichte Brölemann einen Artikel über einen von Jonescu in einer Karpathenhöhle Rumäniens gesammelten Vertreter einer angeblich neuen, mit Gervaisia verwandten Gattung und erläutert seine Mitteilungen durch Tafel VI.

. Brölemann bespricht auf S. 99—101 einige Charaktere, ohne aber eine eigentliche Gattungsdiagnose gegeben zu haben. Er geht offenbar von der Ansicht aus, daß die Gervaisien als »épigées« zu S. jonescui als »forme cavernicole« in Gegensatz stehen. Dies ist jedoch unzutreffend, da ich selbst in einer siebenbürgischen Höhle (Cetatea- Boli) die Gervaisia costata Waga gefunden habe. Diese letztere Art scheint Brölemann nicht zu kennen, denn auf sie läßt sich nicht nur das Habitusbild seiner Fig. 1 sehr gut anwenden, sondern es paßt auf diese Art auch seine Bemerkung »les bätonnets sont si fragiles, qu'ils s'écrasent ou se détachent au moindre contact. Wenn er hinzufügt, »ils manquent donc en general chez les exemplaires examines«, so ist das für jemanden, der wie ich selbst zahlreiche costata gesammelt hat und weiß, daß dieselben bisweilen sehr kahl und abgerieben aussehen, nichts Merkwürdiges. Ferner spricht seine Bemerkung »il est notamment impossible, exception faite peut-être pour les segments 3 et 4, de re- connaître la limite antérieure des bourrelets«, ebenfalls dafür, daB er Gervaisia costata unter den Händen gehabt hat.

In Brölemanns Abbildung der Schläfenorgane und der Telo- poden ist nichts zu finden, was gegenüber Gervaisia als etwas Auf- fallendes bezeichnet werden könnte. Vom Brustschild sagt er selbst »conformé comme chez Gervaisia«. Wo bleiben also die generischen Merkmale? Etwas sonderbaren Eindruck erweckt seine Fig. 6 von der Antenne, da deren 6. Glied höchst abweichend von demselben bei Ger- vaisia zu sein scheint. Berücksichtigt man jedoch, daß Brölemann selbst über dieses Merkmal schweigt und stellt die Tatsache fest, daß seine Fig. 6 zwar nicht dem gewöhnlichen Bild einer Gervaisia-Antenne entspricht (von vorn oder hinten gesehen), sondern einer Ansicht von oben (auf den schmalen Rücken des 6. Gliedes!), dann ist der Schluß

7 Auf S. 389 der Biospeologica gibt Brölemann für Haute-Garonne die Glomeris connexa Koch an, eine unzutreffende Bestimmung, vielleicht Verwechslung mit Jugendlichen von marginata. Hinsichtlich Brölemanns gleichfalls unrich- tiger Angabe der connexa für das Monacogebiet verweise ich auf S. 125—127 in meinem 40. Dipl.- Aufsatz, Jahreshefte Ver. vat. Nat. Württemberg, Bd. 67. Stutt- gart 1911.

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unabweislich folgender: Die Gattung » Spelaeogervarsia« als solche ist unhaltbar bzw. identisch mit Gervaista, und die Art jonescuz ist ent- weder synonym mit costata oder steht dieser doch sehr nahe. Im ersteren Falle würde allerdings zum ersten Male bei costata (von der bisher immer nur Weibchen beobachtet worden sind) das Männchen gefunden worden sein. Daß auch am 6. Tergit noch eine Querrippe vorkommt, hat Brölemann in Fig. 3, 2 angedeutet.

3. Über den mumifizierten Kopf eines Incahundes aus dem Totenfelde von Ancon in Peru. Von Prof. Dr. Th. Noack, Braunschweig. (Mit 6 Figuren.) eingeg. 18. Juni 1915.

Herr Direktor Prof. Dr. Hauthal in Hildesheim brachte von seinen Reisen in Südamerika einen mumifizierten Hundekopf mit, den er auf dem Totenfelde von Ancon in Peru ausgegraben hatte und mir zur Untersuchung und Bearbeitung übermittelte.

Es gelang, die bis auf den Schnauzenteil und die Ohren erhaltene Kopfhaut wesentlich unversehrt zu trennen. Bei der Präparation des Schädels entwickelte sich ein schwach aromatischer Geruch, der an Asphalt erinnerte. Von den Weichteilen waren die Augen als kleine rundliche Ballen und die Gaumenhaut wohl erhalten; auch konnte man den Unterschied von Muskeln und Bändern deutlich erkennen.

Der gereinigte Schädel hat eine hell bräunlichgelbe Färbung, so auch die Backenzähne, während die Schneide- und oberen Eckzähne (die unteren fehlen) fast weiß sind. Der ziemlich schwere Schädel, in welchem noch der Leim erhalten ist, sieht nicht anders aus als der eines recenten Hundes, der ein Jahr in der Erde gelegen hat.

Die Behaarung ist kurz, an den Wangen länger, die Färbung ein dunkel fahles Braunrot. Ich besitze den Balg eines kleinen ostafri- kanischen Haushundes, der fast genau dieselbe Färbung hat.

v. Tschudi, der die peruanischen Hundemumien, auch einzelne Köpfe in Gräbern der alten Peruaner fand, hat.den Mumienhund in der Fauna peruana als Canis ingae beschrieben. Dieser hatte einen kleinen Kopf mit scharf zugespitzter (wohl besser, mit scharf abge- setzter) Schnauze, kleinen spitzen Ohren, untersetztem Körper, nie- drigen Beinen und dichtem rauhen Pelze von dunkel ockergelber Farbe mit schwarzer Schattierung. Er hat diese Rasse noch lebend nicht an der Küste, sondern nur auf den Kordilleren in Indianerhütten getroffen und beschreibt sie als tückisch, wild und tollkühn. Ob sie noch heute existiert, ist nach Mitteilung des Herrn Direktor Hauthal und des

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Herrn Gretzer in Hannover zweifelhaft, der lange in Lima gelebt hat, das Totenfeld von Ancon genau kennt und eine prachtvolle, teilweise an das Berliner Museum für Völkerkunde übergegangene Sammlung altperuanischer Altertümer besitzt.

Hunde finden sich öfter auf altperuanischen Tongefäßen der Samm- lung des Herrn Gretzer in Reliefform dargestellt. Drei Gipsabgüsse von Hundeköpfen, welche ich der Güte des Herrn Gretzer verdanke, sind besonders in der Behandlung der stark hervortretenden, von Kreisen umgebenen Augen stilisiert, können also nicht ohne weiteres als natur- wahr angesprochen werden. Zwei stellen Bulldoggen mit gespaltener Nase dar, bei einem ist der Hals mähnenartig. Die Schnauze ist bei allen kurz und verdickt, das aufrecht stehende Ohr ziemlich hoch und

Fig. 1. Fig. 3.

Fig. 1—3. Canis ingae. Altperuanische Darstellung.

| breit, oben abgerundet, bei dem größten Kopf schmaler mit nach vorn umgebogener Spitze. Die im Flachrelief dargestellten Körper dieser Hunde sind sehr mager, so daß man das Rückgrat und die Rippen sehen kann.

Das Totenfeld von Ancon liegt nicht weit von Callao, der Hafen- stadt von Lima, unmittelbar an der Küste, und ist ausführlich beschrieben in dem Werke von Reiß und Stübel: »Das Totenfeld von Ancon«, in welchem auch (Bd. III, Taf. 117—119) Schädel des Incahundes ab- gebildet sind. Die Herren Reiß und Stübel brachten von ihrer Reise eine vollständige, drei unvollständige Hundemumien und sieben einzelne Köpfe mit, die sie aber nicht selbst auf dem Totenfelde ausgegraben haben, in welchem sich außer vielen menschlichen Mumien, zahllosen Artefacten und Gefäßen aus Ton, Kupfer, Gold und Silber, sowie aus- gezeichnet erhaltenen Geweben auch Lamareste finden. |

Das Hundematerial wurde 1884 Nehring zur Bearbeitung über-

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geben, bei dem ich es damals auch in der Landwirtschaftlichen Hoch- : schule gesehen habe.

Nehring hat die Schädel im » Kosmos« 1884, II, S. 94 und in den Sitzber. Berl. naturf. Fr. 1885, S. 5—13 beschrieben. Von den 11 Schä- deln gleichen acht denen eines kleineren Schäferhundes (?), einer mehr (?) dem eines Dachshundes, auch hat die Mumie ähnliche Beine, ein zweiter ist pintscherähnlich, der dritte mit verkürztem breiteren Kiefer ähnelt einer kleinen Bulldogge oder einem großen Mops. Er nennt diese Ras- sen C. ingae pecuarius (Schäferhund), C. 2. vertagus (Dachshund) und C. à. molossoides (bulldoggen- oder mopsartiger Hund).

Während Nehring glaubte, daß sich die Rassen des Incahundes in dem vorspanischen Peru autochthon entwickelt hätten, meinte v. Tschudi, der damals noch lebte, sie wären Bastarde von Hunden, die die Spanier eingeführt hätten, und das Totenfeld von Ancon wäre noch einige Jahrzehnte nach der Eroberung Perus durch Pizarro von den Peruanern benutzt worden.

Über den mutmaBlichen Ahnen der Incahunde sagt Nehring in seiner Arbeit nichts; mir hat er mündlich geäußert, er hielte dafür den mexikanischen Wolf, woran gar nicht zu denken ist.

Es ist miBlich, die von Linné für die europäischen Haushunde, die er außer dem nackten, von ihm Canis f. aegyptius benannten Hunde allein kannte, eingeführten Namen auf exotische Hunde zu über- tragen. Hätte Nehring die afrikanischen und asiatischen Haushunde gekannt, so würde er gesehen haben, daß es da eine Menge Rassen gibt, die unter Linnés, von Buffon und späteren Zoologen ungeheuerlich vermehrten Namen gar nicht unterzubringen sind. Er sagt selbst, daß sein C. à. vertagus im Schädel mehr Ähnlichkeit mit der Hauptrasse, dem C. à. pecuarius habe. Ich kann das nach den Zeichnungen in dem Werke von Reiß und Stübel nicht nur bestätigen, sondern bedauere auch, in dem Schädel seines C. 2. pecuarius keinen Schäferhund er- kennen zu können. Der Schädel der dritten Rasse ist allerdings bull- doggenartig. (Fortsetzung folgt.)

III. Personal-Notizen.

Infolge seiner Berufung als o. 6. Professor und Vorstand des Zoo- logischen Institutes der Deutschen Universität in Prag ist die Aschau, des Unterzeichneten nunmehr

»Prag II, Weinbergg. 3 (Zoologisches Institut)«.

Prof. Dr. Franz von Wagner.

Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Zoologischer Anzeiger

herausgegeben

von Prof. Eugen Korschelt in Marburg. Zugleich

Organ der Deutschen Zoologischen Gesellschaft,

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. XLVI. Band. 12. Oktober 1915. Nr. 3.

Inhalt: I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Haushunde im Römermuseum zu Hildesheim. (Mit 9 Figuren.) S. 75. 4. Honigmann, Beitrag zur Molluskenfauna des Orzye (Russ, Polen). S. 95.

1. Noack, Über den mumifizierten Kopf eines Incahundes aus dem Totenfelde von Ancon in Peru. (Mit 6 Figuren.) (Fortsetzung.)

S. 65. 2. Wagner, Über den Entwicklungsgang einer III. Personal-Notizen. Fischtänie. (Mit 3 Figuren.) S. 70. Nachruf. S. 96.

3. Noack, Über die Schadel vorgeschichtlicher

I. Wissenschaftliche Mitteilungen.

1. Uber den mumifizierten Kopf eines Incahundes aus dem Totenfelde von Ancon in Peru. Von Prof. Dr. Th. Noack, Braunschweig. (Mit 6 Figuren.) (Fortsetzung.)

Der vorliegende Schädel ist mit keiner der von Nehring be- schriebenen Rassen identisch; er ist weder schäferhund- noch dachs- hund-, noch, obwohl auch er einen ziemlich kurzen Kiefer besitzt, mops- oder bulldoggenartig, sondern er repräsentiert den allgemeinen Typus des Incahundes, wie ihn v. Tschudi beschrieben hat.

Wenn ich den Schädel erhalten hätte, ohne zu wissen, woher er stammt, so hätte ich gesagt: Das ist der Schädel eines europäischen Canis palustris mit einer Einkreuzung einer kräftigeren Rasse und einer Neigung zur Mopsbildung des Kiefers.

Das Profil des Schädels ist dem des C. palustris vom Ith sehr ähn- lich, nur ist die Erhöhung über den Augen stärker, der Kiefer kürzer und höher, die Augenöffnung kleiner, weil das Zygoma steiler steht, die Breite der Schädelkapsel und die Weite zwischen den Jochbogen die- selbe, ebenso die geringste Breite zwischen den Augen. Dagegen ist der hintere Teil des Kiefers erheblich breiter, da er sich über den Reib-

-

Zoolog. Anzeiger. Bd. XLVI. 9

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zähnen kräftig ausdehnt. Der stark abgesetzte vordere Teil des Kiefers hat dieselbe Breite wie bei dem Torfhunde.

Die Gehörblasen sind etwas kleiner, an der Außenseite etwas ab- geflacht mit breit abgerundeten Enden, die vordere Seite von der hin-

Fig. 4. Canis ingae.

teren durch Furchung abgesetzt und hinten seicht vertieft, die Gehor- öffnung klein.

Der Choanenausschnitt ist breit, hinten etwas verschmälert, die

Fio. 5. Fig. 6. 6 E hi

Fig. 5 u. 6. C. ingae.

Nasenbeine denen des C. palustris ähnlich, aber etwas breiter. Das groBe Hinterhauptloch ist nach oben stark zugespitzt. Hin Scheitel-

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kamm ist nicht vorhanden, dagegen ein wohl entwickelter Hinterhaupt- kamm.

Der Unterkiefer ist kräftiger als bei C. palustris, der horizontale Ast hoch und dick mit starker Ausbiegung der unteren Kante, die sich durch die in der Entwicklung begriffene Verkiirzung des Kiefers erklärt.

Die Backenzähne stehen dicht gedrängt, der vierte untere Prä- molar hat etwas Kulissenstellung, der 2. und 3. Prämolar ist oben und unten schlank. Im Unterkiefer fehlt auf beiden Seiten von Hause aus der 1. Prämolar und der letzte Molar. Von beiden Zähnen ist keine Spur einer Alveole vorhanden. Die beginnende Verkürzung des Kiefers ist unverkennbar, aber deshalb ist der Schädel noch nicht der einer Bull- dogge oder eines Mopses.

Die sehr kräftigen Reiß- und Kauzähne im Gegensatz zu den kleinen Prämolaren, besonders dem ersten oberen, machen es wahr- scheinlich, daß in dem Schädel neben dem Blut des C. palustris das einer größeren Rasse steckt. Der obere Reißzahn, dessen Talon sich wie bei C. palustris etwas nach hinten richtet, ist kürzer als die beiden folgenden Zähne zusammen. Die oberen Eckzähne sind schlank, die unteren verloren gegangen (s. Fig. 4—6).

Außer dem Schädel waren an dem Mumienkopfe die drei ersten Halswirbel vorhanden. Die Flügel des Atlas sind lang und kräftig, was für eine starke Nackenmuskulatur spricht.

Maße:

), eme na ee he 146 CARTER ee e UNE i MEI Größte Schädellänge zwischen Hinterhauptkamm und Incisivalv. 167 Mituerenbäanee der Nasenbeime ns: suc en: ne © 56 NorderesBreitenn ten a a katte el IE RSI per) Send, 16 GroßtesBreiterder Schadelkapsel 5 252-26... No 53 WorderesEmschimurungg® SR 2.0 PL M ut. 34 iBrerte zwischen den Orbitalzackem 2 2. 2. ON os 48

AIS CHENE AUTEUR NT IO Mee TS CERTES m2 Größte Breite des Hinterhauptes über der Ohröffnung . . . . . 63 Größe Weite zwischen den Jochbogen außen . . . . . . . . . 94 Größte Kieferbreite über den ReiBzihnen . . . . . . . . . . 57 Kieferbreite zwischen den 2. Prämolaren außen ........ 36 Lénee den Conan ee een. 20 RO OO Re CE E RR IR BER AR SA kan A PRIA RR ER INT MEER 16 BréitetdesChoanenauss chiites MN O SANI seen. 17 Horizontale Länge des Unterkiefers . . . . . . . . . . . .. 122 GERS TIGE" eee EEE 20 ID GIS Gis SERS She RER e n 1145 Hranoerdesioberen Reißzahnsı a un. 16

Sader beens Kauzahne zusammen un. 18 Länge der Kaufläche des 1. oberen Molars .......... 18

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Basale Breite desioberen Bckzahnsu CE 9 Ikange/desunterenyReißzahnse ee re 18,5 Größte Breite zwischen den Flügeln des Atlas. . . . . . . . . 72 Breite des Flügels mm ee Re IO ee I 23 Tänse.des, DorusfampEpistropbeuser a ee 44

Ich will nun versuchen, die Frage zu beantworten: woher stammt der Incahund, dessen Schädel ich beschrieben habe?

Wenn der Mumienkopf, wie v. Tschudi bezüglich der Nehring- schen Rassen glaubte, einem erst von den Spaniern nach 1530 einge- führten oder in Peru gekreuzten europäischen Hunde angehörte, so läge die Sache sehr einfach, denn dann hätte es nicht die geringste Schwierig- keit, ihn für einen Nachkommen des europäischen C. palustris mit Ein- kreuzung einer stärkeren Rasse, z. B. des südspanischen Hofhundes, des Mastin, zu erklären, dessen Schädel ich besitze, zumal die Be- schaffenheit des Kopfes und Schädels auf kein sehr hohes Alter hinweist.

Mir haben aber die Herren Direktor Hauthal und Gretzer ein- stimmig versichert, daß die Hundemumien von Ancon aus der vorspa- nischen Zeit stammen. An der Westküste Perus regnet es allerdings niemals, indessen die Nähe des Meeres mit Seenebeln, Erdbeben mit weithin überschwemmenden Flutwellen ließen doch vermuten, daß im Laufe der Zeit wiederholt Feuchtigkeit in den Boden eingedrungen wäre. Man kann sich die wunderbare Erhaltung der Mumien, die ohne jedes Konservierungsmittel beigesetzt sein sollen, sowie der Gewebe mit ihren mannigfachen Farben nur erklären, wenn man annimmt, daß der Boden völlig bakterienfrei ist.

Wenn also eine Einführung dieses Hundes durch die Spanier aus- geschlossen ist, so muß er sich entweder in Amerika aus einheimischen wilden Caniden entwickelt haben, oder seine Vorfahren sind von Ost- asien her eingeführt.

In Südamerika gibt es keinen lebenden wilden Caniden, aus dem der Incahund hervorgegangen sein könnte. Die Schädel wilder süd- amerikanischer Caniden, die ich kenne und teilweise besitze, schließen diese Möglichkeit gänzlich sus.

Die Incahunde könnten aus Mexiko eingeführt sein, zumal die vor- spanischen Mexikaner auch schon Haushunde gehabt haben, sie könnten aus wilden nordamerikanischen Caniden hervorgegangen sein. Ich kenne aus Mexiko den großen amerikanischen Grauwolf, die rote Varietät, den grauen Heulwolf, den schlanken spitzköpfigen, hochbeinigen Canis vigilis, besitze den Schädel von Canis latrans var. ochropus, habe im Braunschweiger Museum den Schädel des kalifornischen Heulwolfes und die Schädel amerikanischer Wölfe verglichen und kann nur sagen, auch da ist die Möglichkeit einer Abstammung ausgeschlossen. Von den aus-

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gestorbenen amerikanischen Caniden des Pliozän und Pleistozän, die seit Nehrings Arbeiten beschrieben sind, kann gleichfalls schwerlich einer für die Abstammung des Canis ingae in Betracht kommen. Vel. Freudenberg, Die Säugetierfauna des Pliozäns von Mexiko, S. 22—31.

So müssen wir denn unsern Blick nach Ostasien richten.

Im Hamburger Zoologischen Garten lebten zwei asiatische Hunde aus der Mandschurei, ein weißgelber und ein braunroter.

Wenn ich den Canis ingae nach der Beschreibung zeichnen sollte, könnte ich ihn nicht anders zeichnen, als den braunroten Hund der Mandschurei: derselbe stämmige, kurzbeinige Körperbau, derselbe mas- sive breite Schädel mit kurzer Schnauze, dasselbe kleine spitze Ohr!

Ich besitze von Schädeln chinesischer Hunde den des südchinesi- schen Tschau, der einen spitzhundartigen Körper hat, aber der Schädel hat das gerade Profil des asiatischen Schakals. Der Hund ist kein Nachkomme des C. palustris. Meine beiden Schädel nordchinesischer Pariahunde aus Tsingtau sind dingoartig und haben gleichfalls keine Ähnlichkeit mit ©. ingae.

Anders aber steht die Sache mit 3 Schädeln einheimischer, nicht von Europäern eingeführter Hunde von der Insel Formosa. Bei diesen liegt die Abstammung vom altweltlichen C. palustris klar zutage, es ist also auch eine entschiedene Ahnlichkeit mit C. ingae vorhanden.

Die Schädel haben verschiedene Größe mit 159, 148 und 136 mm basaler Länge. Der Kiefer ist etwas länger und schmaler, die Weite zwischen den Jochbogen etwas geringer, aber das Profil und der ganze Habitus sind dem Schädel des Incahundes sehr ähnlich. Die Größe und Form der Gehörblasen und das Hinterhauptloch sind dieselben, allen fehlt der Scheitelkamm, der an dem kleinen Schädel des Tschau kräftig entwickelt ist. Besonders der kleinste Schädel sieht ganz wie eine verkleinerte Nachbildung des Incaschädels aus.

Auch das Gebiß zeigt in der Form und Größe der Zähne bis auf die etwas weniger schräge Stellung des Talons am Reißzahn durchaus Übereinstimmung.

Beiläufig willich noch bemerken, daß auch die Schädel abessini- scher Pariahunde meiner Sammlung bis auf den etwas schmaleren Kiefer im Profil, in der Größe, im Verhältnis der basalen zur Gaumenlänge, in der Übereinstimmung des Gebisses dem Schädel des Incahundes außerordentlich ähnlich sind.

Nun sind in jüngster Zeit weitere wichtige Tatsachen bekannt ge- worden, welche einen vorgeschichtlichen Verkehr zwischen Vorder- und Ostasien, zwischen Ostasien und Amerika wahrscheinlich machen.

Im Korrespondenzblatt für Anthropologie Januar— April 1915 weist v. Spieß durch zahlreiche Abbildungen nach, daß ein bestimmtes

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Motiv der bildenden Kunst sich von Europa durch Asien und Nord- amerika bis zu dem vorspanischen Mexiko und Peru verfolgen läßt. Besonders auffallend ist die Ahnlichkeit des Ornamentes einer skytisch- sibirischen Bronzeplatte, 1. c. Fig. 1 mit dem eines altperuanischen Ton- kruges aus Chimbote, Fig. 16, der auch aus der Sammlung des Herrn Gretzer stammt. Bork hat gezeigt, daß die Bezeichnung der einzelnen Tage des Monats sich ebensowohl bei den Majavölkern und andern Stämmen Mittelamerikas, wie bei den iranischen und durch sie beein- flußten Völkern findet. Endlich haben sich in China und Japan Über- lieferungen von alten Fahrten nach der Westküste Amerikas erhalten.

Es ist also wahrscheinlich, daß in der Vorzeit ein Kulturstrom von Europa und Westasien durch Innerasien bis nach der Ostküste und von dort bis nach Amerika sich erstreckt hat, man kann demnach die Mög- lichkeit nicht von der Hand weisen, daß auf diesem Wege Haushunde von der alten Welt nach Amerika gekommen sind und sich bis nach Mexiko und Peru ausgebreitet haben. Wenn andre europäische Haus- tiere, wie Rinder und Schafe, sich noch heute bis nach China und Japan finden, dagegen keins dieser Haustiere, außer vielleicht dem ältesten, dem Haushunde, seinen Weg von Asien nach Amerika gefunden hat, so ließe sich das dadurch erklären, daß nach Einführung des Haus- hundes nach Amerika durch das Schwinden des Wassers und die da- durch erfolgende Wüstenbildung in Centralasien der nach Osten flutende Kulturstrom versiegen mußte und daß seitdem auch Fahrten der Chi- nesen und Japaner nach Amerika unterblieben sind. Über die Bering- straße konnte ohnehin kein andres Haustier als der Hund nach Nord- amerika gelangen.

2. Über den Entwicklungsgang einer Fischtänie. Von Oskar Wagner. (Aus dem Zool. Institut der Techn. Hochschule in Stuttgart.) (Mit 3 Figuren.) eingeg. 30. Juni 1915. Beim Untersuchen von Plankton-Crustaceen aus einem Fischteich, der zur Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim (bei Stuttgart) gehört, wurden anfangs August 1913 plerocercoide Tänienlarven in Diaptomus castor Jurine gefunden. Auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. H. E. Ziegler und unter seiner Leitung unternahm ich die weitere Untersuchung, um festzustellen, zu welcher Tänie diese Larven ge- hörten. Da keine Wasservögel auf dem Teiche lebten, kamen die Fische als Wirtstiere in erster Linie in Frage. Außer zahlreichen Karpfen, Schleien und einigen Regenbogenforellen war in dem Teich

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eine große Anzahl Goldorfen (Cyprinus orfus L.) vorhanden. Die Untersuchung der Fische ergab, daB die Goldorfen überaus reichlich mit einer Tänienart infiziert waren, die als Zchthyotaenra torulosa Batsch. erkannt werden konnte. Der vordere Teil des Fischdarmes war meist bis zum Schlund hinein vollständig gestopft voll von wirr durcheinander verschlungenen Tänien. Alle andern in dem Teich vorhandenen Fische waren vollständig frei von dieser Infektion. Es gelang mir, die Zuge- hörigkeit der in den Copepoden vorhandenen Plerocercoide zu der im Darm der Goldorfen schmarotzenden Ichthyotaenia torulosa mit Sicher- heit zu erkennen und den ganzen Entwicklungsgang klarzustellen.

Ich muß vorausschicken, daß August Gruber schon im Jahre 18781 die gleiche Larve in Cyclops brevicaudatus Cl. (= C. strenuus Fisch.) im Bodensee gefunden hatte. Er vermutete schon damals, daß diese Cestodenlarve zu der in karpfenartigen Fischen schmarotzenden Ich- thyothaenia torulosa Batsch. gehöre, ohne dies jedoch sicher nachweisen zu können. Auch Mräzek (1891)? berichtet von einer in Cyclops agilis (= C. serrulatus Fisch.) parasitierenden Cestodenlarve, die mit der Gruberschen Larve vollständig identisch sein soll. Entgegen der Auffassung Grubers sah Mräzek die Larve für ein noch unausgebil- detes Cysticercoid an, das wahrscheinlich zu einer Vogeltänie gehöre.

Durch eigne Untersuchung konnte ich am Bodensee, in der Nähe von Lindau, feststellen, daß die von Gruber dort gefundene Larve aus Cyclops strenuus Fisch. mit der von mir in Diaptomus castor Jur. ge- fundenen Larve völlig übereinstimmt.

Unser Plerocercoid lebt frei beweglich in der Leibeshöhle der Copepoden. Die weiblichen Krebschen waren in der Regel stärker von dem Parasiten befallen als die etwas kleineren Männchen, die öfters überhaupt nicht infiziert waren. Meist befanden sich 2—3 Tiere, nicht selten auch mehr, zu beiden Seiten längs des Darmes, über oder unter den Keimstöcken, die, wie es schien, besonders gern aufgesucht wurden. Die Plerocercoide waren oft nicht alle gleichmäßig weit entwickelt, son- dern es fanden sich vielfach die verschiedensten Entwicklungsstadien nebeneinander in der Leibeshöhle des Diaptomus vor. Die durch leb- hafte Kontraktionen ihres Hautmuskelschlauches sich fortbewegenden

1 Gruber, A. (1878), »Ein neuer Cestodenwirt«. Zool. Anz. 1878. S. 74—75.

2 Mräzek, Al. (1891), »Recherches sur le developpement de quelques Tenias des oiseaux«. Sitzber. böhm. Ges. Wiss. Prag 1891. S. 97—131. tab. 2. Vgl. auch Richard, J. (1892), Sur la présence d’un Cysticercoide chez un Calanide d’eau douce. Bull. Soc. Zool. de la France. Tome X VII. 1892. p. 17—18.

3 Die Herren Hofrat Prof. Dr. A. Gruber (Freiburg i. B.) und Privatdozent Dr. K. Gruber (München) waren mir bei der Beschaffung des Materials in liebens- würdiger Weise behilflich, wofür ich mich ihnen zu aufrichtigem Dank verpflichtet fühle.

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Plerocercoide (Fig. 1) suchten in alle Teile der Leibeshòhle vorzudringen. So konnte ich Tiere beobachten, die, offenbar in dem Bestreben, sich einen Ausweg aus der beengenden Leibeshöhle zu verschaffen, bis in den vordersten Teil des Kopfes der Copepoden gewandert waren, wobei das Auge des Krebses oft stark zur Seite gedrückt wurde. Andre Plerocercoide suchten in das Abdomen einzudringen, um von dort aus ins Freie zu gelangen, aber überall stellte sich ihnen das harte Chitin- skelet der Copepoden als undurchdringliche Wand entgegen. Beim Untersuchen genügt meist schon der Druck des Deckglases, um das Chitingerüst der Crustaceen zu sprengen. Die Plerocercoide zwängen ~

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Fig. 1a—c. Plerocercoide von Ichthyotaenia torulosa Batsch. in verschiedenen Form- veränderungen. a. Plerocercoid mit vorgestülptem Scheitel. b. Gestreckte Form. c. Eingestülptes Plerocercoid.

sich dann sofort durch den entstandenen Spalt nach auBen und bewegen sich durch rhythmisch wiederholte Kontraktionen sehr lebhaft in der umgebenden Flüssigkeit, wobei sie beständig ihre Form ändern (Fig. 1). Im ausgestreckten Zustand erreichen die Plerocercoide eine Länge bis zuimm. Es ist daher zu verwundern, daf selbst mehrere zu gleicher Zeit in der Leibeshöhle schmarotzende Larven den Copepoden schein- bar nur wenig Schaden tun. Nach längerem Parasitismus ist allerdings eine Atrophie der Ovarien zu beobachten, worauf bereits Gruber hin- gewiesen hatte, und wie dies in andern Fällen von Parasitismus auch schon festgestellt wurde.

Der langgestreckte Körper der Larve ist zungenförmig und außer- ordentlich kontraktionsfähig. Der durch eine flache Einschnürung

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etwas abgesetzte Scolex besitzt vier kreisrunde Saugnäpfe und einen leicht vorstülpbaren Scheitel (Fig. 1a). Das Körperparenchym der Lar- ven zeichnet sich durch einen Reichtum an großen lichtbrechenden, ge- schichteten Kalkkörperchen und feinen, hellen Tröpfchen aus, die un- regelmäßig über den ganzen Körper verteilt sind. Unter dem Druck des Deckglases werden die Plerocercoide etwas platt gedrückt, wodurch sie aber sehr durchsichtig werden und die innere Organisation, beson- ders die Muskelfaserzüge, sowie das Excretionssystem, gut erkennen lassen‘. Auf äußeren Reiz ziehen sich die Larven kugelförmig zu- sammen. Der Scolex stülpt sich dabei in den sehr dehnbaren, contrac- tilen Körper ein, so daß der Scheitel des Tieres den Grund der Ein- stülpung bildet (Fig. 1c) Für gewöhnlich findet aber ein regelmäßiges Ein- und Ausstülpen des Scolex im Leben des Plerocercoiden nicht statt. Hinsichtlich des weiteren Schicksals der in der Leibeshöhle der Copepoden eingeschlossenen plerocercoiden Larven ist mit Sicherheit anzunehmen, daß diese von den Fischen mit der Crustaceennahrung aufgenommen werden, in deren Darm sie zum geschlechtsreifen Band- wurm auswachsen. Zu dieser Annahme berechtigt mich die Tatsache, daß sich im Fischdarm neben den Chitinresten von Crustaceen dieselben Plerocercoide wieder vorfanden, wie sie in den Copepoden lebten.

Die infizierten Copepoden wurden in dem Hohenheimer Fischteich von Anfang Juni ab bis Ende August gefunden. Um diese Zeit findet auch die Infektion der Fische statt. Im Juni und Juli konnte ich im Darm der Goldorfen häufig junge Plerocercoide neben noch nicht ab- gegangenen erwachsenen Tänien vorfinden. Von Ende Juli ab waren jedoch in der Regel im Darm der zahlreich untersuchten Goldorfen keine geschlechtsreifen Tänien mehr zu beobachten. Dieses Verhalten hängt mit der Art der geschlechtlichen Tätigkeit des Bandwurmes zu- sammen. Nach der Ansicht der meisten Autoren sind die Fischtänien (im Unterschied von den Tänien der warmblütigen Tiere) in bezug auf ihre Geschlechtsreife an eine bestimmte Jahreszeit gebunden. Bei allen Fischtänien scheint die Entwicklung zur Geschlechtsreife konstant erst im Frühjahr zu beginnen, während im Winter stets nur junge, noch

4 Ich werde über meine anatomischen Beobachtungen über das Wassergefäß- system an andrer Stelle berichten. Für längere Untersuchung am lebenden Objekt eignet sich am besten das Zieglersche Kompressorium. Es lassen sich mit Hilfe dieses Apparates, der auch die Anwendung einer homogenen Immersion gestattet, die Feinheiten im Bau der Tiere erkennen, insbesondere werden die in der Nähe der Längsgefäße auf beiden Seitenflächen ziemlich regelmäßig verteilten Wimperflam- men auf diese Weise gut sichtbar.

5 Die Zeitgrenzen sind offenbar je nach der Örtlichkeit gewissen Schwankungen unterworfen. Am Bodensee konnte ich z. B. noch im September und Oktober infi- zierte Cyclopiden bekommen, wie sie Gruber schon früher entdeckt hatte.

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ungegliederte oder in der Bildung der Proglottidenkette begriffene Tänien gefunden wurden. Geschlechtsreife Fischtänien hat man im Winter nie auffinden können, was auch meine Befunde an Ichthyotaenia torulosa bestätigen. Die Eierproduktion und Eireifung beginnt bei Ichthyotaenia torulosa im Frühjahr (März, April. Anfangs Mai habe ich bereits Embryonen mit 6 Haken beobachten können. Die Entwick- lung der Oncosphären dauert aber in der Regel bis in den Juni hinein. Infolge der anhaltenden Eierproduktion dehnt sich der Uterus immer weiter im Gliedinnern aus, und die Proglottiden werden allmählich von den zu vielen Tausenden eng zusammengedrängten Oncosphären prall gefüllté. Die Entleerung des Uterus findet nun erst jetzt am Ende der Eierproduktion (in unserm Fall im Juni) statt.

Als beachtenswerte Tatsache hat sich gezeigt, daß Ichthyotaenia torulosa zwecks Ablegung der Eier aus dem Enddarm der Fische aus- tritt und die Oncosphären direkt ins Wasser entleert. Dieses Ver- halten konnte ich wiederholt an einigen in ein Brunnenbassin einge- setzten infizierten Goldorfen beobachten. Die vollreifen Tänien traten aus dem After der Fische aus und entleerten gleich darauf durch salven- artiges Ausstoßen ihre gefüllten Uteri, so daß das Wasser in der nächsten Umgebung von den massenhaft vorhandenen Oncosphären stark getrübt wurde. Entnimmt man aus einem frisch aufgeschnittenen Fischdarm reife Tänien, die am Ende der Eierproduktion sich befinden, und bringt sie in Brunnenwasser, so kann man ebenfalls sofort das eigenartige Ausstoßen der Oncosphären beobachten. Im Enddarm der Fische habe ich dagegen nie freie Oncosphären auffinden können. Zu beachten ist, daß die Tänien im ganzen abgehen, der Scolex bleibt dabei mit dem Bandwurmkörper fest verbunden. Es steht dies auch in vollem Einklang mit den von früheren Autoren schon beobachteten Befunden, wonach ein Loslösen von Proglottiden bei Ichthyotänien im allgemeinen nicht stattfindet.

Die Übertragung der im Wasser suspendierten Oncosphären in den Zwischenwirt erfolgt von seiten der Copepoden mit der Nahrungs- aufnahme. Im Darmkanal der Crustaceen lösen sich die Hüllen der Oncosphären auf. Der befreite Embryo bohrt sich mit Hilfe der Em- bryonalhäkchen durch die Darmwand hindurch und gelangt so in die Leibeshöhle der Copepoden. Diese Vorgänge habe ich experimentell durch Verfüttern von Oncosphären an noch nicht infizierten Copepoden beobachten können. In der Leibeshöhle des Krebses findet die voll- ständige Entwicklung des Plerocercoiden statt. Der 6hakige Embryo

6 Einen genauen Bericht über den Bau der Geschlechtsorgane des Bandwurms werde ich an andrer Stelle veröffentlichen.

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wächst zunächst allseitig und nimmt Kugelgestalt an. Allmählich be- ginnt an zwei entgegengesetzten Polen des kugeligen Embryonalkörpers ein Längenwachstum, wodurch die Larve eine länglich ovale Gestalt erhält. Das den Scolex bildende Ende des Larvenkörpers läßt bald die Anlagen der Saugnäpfe als dichte, rundliche Parenchymanhäufungen erkennen. Gleichzeitig differenzieren sich die inneren Organe, die Mus- kulatur und das Wassergefäßsystem. Die letzte Entwicklungsepoche des Plerocercoiden umfaßt ein weiteres Längenwachstum und fort- schreitende Ausbildung der angelegten Organe. Bemerkenswert ist, daß der Scolex nicht wie bei den Cysticerken und Cysticercoiden in einer Einstülpung entsteht, sondern an einem Pol des embryonalen Körpers sich differenziert. Am ausgebildeten Plerocercoid gleicht der Scolex schon ganz dem der erwachsenen Tänie. Nach Übertragung in den definitiven Wirt geht das Plerocercoid durch fortschreitendes Längenwachstum direkt in die gegliederte Form über, ohne einen Teil des Larvenkörpers abzuwerfen, wie es bei den Blasenwürmern der Fall ist.

Die Bildung der Proglottiden findet im Winter statt; sie gelangen aber in dieser Zeit nicht zur Geschlechtsreife, sondern die geschlecht- liche Tätigkeit beginnt erst im Frühjahr. Die Eierproduktion dauert, wie erwähnt, etwa bis Juni, dann treten die Tänien aus dem Fischdarm aus, entleeren in großen Massen infektionsfähige Oncosphären im Wasser und gehen kurze Zeit darauf zugrunde. Der gesamte Ent- wicklungscyclus läuft also innerhalb eines Jahres ab.

3. Über die Schädel vorgeschichtlicher Haushunde im Römermuseum zu Hildesheim. Von Prof. Dr. Th. Noack, Braunschweig. (Mit 9 Figuren.) eingeg. 18. Juni 1915.

Der Herr Direktor des Römermuseums in Hildesheim, Professor Dr. Hauthal, übergab mir einige Schädel und Schädelbruchstücke vorgeschichtlicher Haushunde zur Untersuchung und Bestimmung. Das Material war für einen Vortrag meinerseits auf der Anthropologen- Versammlung in Hildesheim bestimmt, die im August 1914 stattfinden sollte. Durch den plötzlichen Ausbruch des Krieges wurde die Ver- sammlung und damit mein Vortrag verhindert. Da auch 1915 die Anthropologen-Versammlung in Hildesheim wegen des Krieges aus- fallen muß, mögen die Resultate meiner Untersuchung im Zoologischen Anzeiger veröffentlicht werden.

Die Schädelreste der vorgeschichtlichen Haushunde sind folgende:

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T. Der Oberschädel eines kleinen Hundes, der zusammen mit Arte- facten der älteren neolithischen Zeit in einer Höhle des Ith, einer zum Weserberglande gehörenden Jurakalkformation gefunden wurde. Der- selben Rasse gehören je zwei zusammengehörende Unterkieferäste aus einer andern Höhle des Ith an, ferner ein einzelner durchbohrter, vor- letzter oberer Backenzahn, der als Schmuck getragen wurde.

II. Ein mittelgroßer, durch und durch schwarzer Oberschädel, der nach der Angabe des verstorbenen Forschers O. Struckmann in Hannover vom Jahre 1873 im Flußkies etwa 4 m unter der Oberfläche . an den sogenannten Zwerglöchern (Höhlen im Posidonienschiefer) im Innerstetale bei Hildesheim lag. Die Stelle befindet sich am rechten Ufer der Innerste an der sogenannten Dreibogenbrücke nördlich von Hildesheim.

III. Oberschädel und Unterkiefer eines größeren Haushundes, der im April 1915 etwa 1,75 m tief in einer vorgeschichtlichen Wohngruben- anlage dicht bei Hildesheim ausgegraben wurde.

IV. Oberschädel und Unterkiefer eines größeren Haushundes, ge- funden bei Ahrbergen nördlich von Hildesheim, zusammen mit früh- mittelalterlichen Tongefäßen aus dem 8. oder 9. Jahrh. n. Chr.

V. Drei ab- und aufgeschlagene Schädelkapseln, ein Bruchstück des Oberkiefers und drei Unterkieferäste einer großen Hunderasse, die sich in einem höhlenartigen Spalt der Popenburgklippe im Ith fanden.

Zul.

Die Reste des kleinen Hundes gehören dem Torfhunde, Cans palustris Rütim. an, und zwar repräsentieren sie die älteste Form, welche nur in rein neolithischen Pfahlbauten der Schweiz, in Schaffis am Bieler See, Inkwyl, Moosseedorf, Meilen und Robenhausen gefunden wurde, wo noch jede Spur von Metall fehlt (s. Fig. 1 u. 2).

Der Schädel, an welchem der Zwischenkiefer fehlt und zu welchem die beiden Unterkieferäste vorzüglich passen, stimmt ganz genau in der Profillinie und Größe überein mit einem Schädel von Schaffis, den Studer (Die prähistorischen Hunde in ihrer Beziehung zu den gegen- wärtig lebenden Rassen), Taf. II, Fig. 3a und 3b abbildet. Weniger gleicht er einem Schädel von Lattringen aus einem Pfahlbau der Jüngeren neolithischen Zeit mit Kupfer (Taf. II, Fig. 4a u. 4b). Zwischen den Augen ist der Schädel etwas breiter, als der von Schaffis.

Von Zähnen ist außer dem einzelnen Molar des Oberkiefers nur der obere Reißzahn und in den Unterkiefern der vorletzte Molar er- halten. Übrigens ist das Gebiß insofern anormal, als der letzte obere Molar links von Hause aus gefehlt hat. Diese Unregelmäßigkeit kann, braucht aber nicht die Folge der Domestikation zu sein, da ein Plus

(7 oder Minus von Backenzähnen gar nicht selten auch bei wilden Caniden vorkommt.

Vergleichende MaBe.

Schaffis | Schaffis Ith scale DRVACE S Say es ee ii o lotte Tetra romeo EE en. 76 74 - 76 Größte Gaumenbreite . . . . . . . . . . . . . 42 si ail 42 Größte Schädelbreite . . . . . . . . . . . . . 52 52 53 Zwischen den Orbitalfortsätzen . . . . . . .: .. 41 31 46 Zwischen den Augen . . . NO Re cay 30 28 32 Mittlere Lange der Newenieiios atte ey chee: 54 56 50,5 Wanpe des oberen Reißzahns..........| 14 14 16

Jeitteles hat nach meiner Ansicht richtig gesehen, wenn er die Abstammung des Canis palustris von Schakalen befürwortete. Er dachte an Canis aureus, der, wie er glaubte, Fig. 2. nicht nur in Asien, sondern auch auf der Balkanhalbinsel und in Nordafrika vor- kime. Das ist nicht richtig. C. aureus, von dem der Ceylon-Schakal, der Chrysaeus

Inver, il

Fig. 1 u. 2. Canis palustris.

xeylanicus des Hamilton Smith als Canis xeylanicus zu trennen ist, kann nach meiner Meinung wegen seiner bei transkaukasischen, syrischen und indischen Schakalen meiner Sammlung ganz oder fast ganz gleichen, sehr geraden Profillinie nicht in Frage kommen, noch weniger der Schakal von Ceylon, dessen viel kleinerer, vom indischen Schakal sehr abweichender gleichfalls in meinem Beats befindlicher Schädel mit relativ und absolut viel stärkerem Gebiß mit C. palustris keine Ähnlich- keit hat.

Nur zwei Schakale, der nordafrikanische C. studer: und der europä- ische ©. dalmatinus, der von C. aureus durchaus zu trennen ist, können

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für die Abstammung des C. palustris in Frage kommen, da beide schon die für Haushunde charakteristische Erhöhung der Stirn und die Ein- biegung des Profils vor den Augen besitzen. Diese für die Haushunde charakteristischen Eigentümlichkeiten können nicht erst durch die Kultur erworben, sondern müssen, wenigstens in der Anlage, schon bei den Stammeltern vorhanden gewesen sein.

Was ich schon früher vermutete, als mir nur Abbildungen und Mafie des C. palustris zur Verfügung standen, kann ich jetzt, wo ich einen guten Schädel und gute Unterkiefer der ältesten Form des C. palustris vergleichen konnte, zur vollen Evidenz beweisen.

Mehr noch als der Schädel eines wild in Algier geschossenen C. studert hat der eines in Gefangenschaft gehaltenen Exemplars und ein jüngerer Schädel des C. dalmatinus (alle drei in meiner Sammlung) die größte Ähnlichkeit mit dem Schädel von C. palustris.

Am Oberschädel ist die Erhöhung über den Augen bei C. palustris kaum stärker, als bei ©. studert. Der Palustris-Schidel ist besonders vorn im Kiefer und zwischen den Jochbogen etwas breiter, die Augen- öffnung, was für domestizierte Hunde, aber nicht für alle, z. B. für centralafrikanische nicht, charakteristisch ist, etwas größer, weil der obere Rand des Zygoma sich etwas mehr nach außen umbiegt. Das Hinterhauptloch ist etwas größer als bei C. studeri und dalmatinus. Sonst sind sich die Schädel sehr ähnlich. Die Unterkiefer sind über- haupt nicht zu unterscheiden. Die Profillinie des C. palustris ist etwas mehr eingebogen als die des C. dalmatinus, die Jochbogen haben bei allen 4 Schädeln dieselbe Form und Stärke, ebenso die Gehörblasen, nur sind die des ©. palustris etwas mehr abgeflacht. Im Gebiß sind die Reiß- und Kauzähne besonders bei dem wilden C. studeri stärker als die des C. palustris, aber hier würde genau dasselbe Verhältnis vor- liegen, wie bei C. matris optimae und dem deutschen Schäferhunde gegeniber einen sehr ähnlichen, ebenso großen © Schädel des indischen C. pallipes meiner Sammlung, der, wie sich unten ergeben wird, sicher der Stammvater der beiden Hunde ist. Übrigens ist, wie aus den MaBen erhellt, die Größe der Zähne bei dem in Gefangenschaft gehaltenen C. studert schon etwas zurückgegangen. Dagegen stimmt der obere Reißzahn und der untere vorletzte Kauzahn des C. palustris nach Form und Größe ganz genau mit denselben Zähnen des C. dalmatinus überein.

Kurz, man mag die Schädel betrachten von welcher Seite man will, so liegt die engste Verwandtschaft des C. palustris mit ©. studeri und C. dalmatinus klar zutage.

Ein in meinem Besitz befindlicher Schädel einer kleinen altägyp- tischen Hundemumie ist der eines Terriers. Er hat eine basale Länge

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von 110 mm und ist dem bei Studer, 1. c. Taf. III, Fig. 10a u. 10b ab- gebildeten Schädel sehr ähnlich.

Bei den Maßangaben bezeichne ich den Schädel des ©. studeri aus Algier mit I, den des gefangen gehaltenen Exemplars, welches aus dem Zoologischen Garten in Düsseldorf stammt, mit II.

Vergleichende Maße.

SEES È Bel ILE EME 20. n 148 | 138 | 136 | etwa 137 Länge des knöchernen Gaumens 80 | 77 | 73 | etwa 76 Lange der Nasenbeine . . . . . 497149 | 47 50,5 Breite zwischen den Onlbithelbaneikem 44 | 43 | 43 46 Geringste Breite zwischen den Augen . . . . . 32 | 29 | 26 32 Einschnürung des Schädels hinter den Orbialzacken | 36 | 35 | 38 30 Grobieschadelbreite . .. . ........% 55 | 53 | 53 53 Weite zwischen den Jochbogen außen... . . . . 97 | 86 | 83 | etwa 88 Größte Breite des Hinterhauptes über der Ohröffnung | 55 | 54 | 54 56 Breite des Gaumens zwischen den Talons der Reiß- | ZA 168 ie LR re A AN en a 28 | 26 | 28 30 Zwischen den 1. De noce SOR ORA Gna EER. 18,5 | | 20 19,5 23 Hänse,der Geharblasene ve ar 23.0. CU Pred: 5 23 | 28 22 Bree a le E ye tel beh ote, a aes Sas) STA 18 . Lange des Unterkiefers J- Gandy eo 200 LA le) al eo 127 Höhe unter dem Reißzahn . . . . . . aes RER de 1892 218% 1615 18,5 Diele SN ee eee N ike haa CNG Se 358 10 Länge der oberen Backenzahnreihe . . . . . . . . | 66 | 59 | 55,5 55,5 - - unteren - MESSI AMET ELIA OBS 15103 13 Länge des oberen ReiBzahns . . . . . . . . . .. 18 | 16,5) 16 +6 Länge des vorletzten unteren Molars . . . . . 505 eye 8 8

Demnach wiirde Canis palustris in den Mittelmeerländern, in Nord- afrika und auf der Balkanhalbinsel entstanden sein. Daf er sich später weit bis nach Ostasien verbreitet hat, beweisen Hundeschädel meiner Sammlung von der Insel Formosa.

Zu II.

Der schwarze, sehr schwere Schädel aus den Zwerglöchern des Innerstetales ist durch und durch mit Vivianit infiltriert, der sich selbst in abgestoßenen Zähnen in Form von kleinen Kristallen findet. Die mit Vivianit infiltrierten Knochen sehen meistens blau aus, so häufig die in Sibirien gefundenen Knochen und Stoßzähne des Mammut, aber es gibt auch schwarze Infiltrationen von Vivianit (s. Fig. 3 u. 4).

Der Schädel ist der eines Canis intermedius, der 1877 von Woldrich nach ‚Resten aus Aschenlagern von Weikersdorf, Pulkau und Ploscha

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beschrieben wurde. (Woldrich, Über einen neuen Haushund der Bronzezeit, Canis familiaris intermedius. Mitteil. der anthropol. Gesell- schaft in Wien, Bd. VII.) |

Der Schädel aus dem Innerstetale steht dem Typus von Weikers- dorf sehr nahe, den Woldrich abbildet, doch ist das Profil über den Augen und die Schädelkapsel etwas flacher, der Scheitelkamm, was sich durch das höhere Lebensalter erklärt, erheblich höher. Die Gehör- blasen sind mittelgroß und an der Außenseite stark abgeflacht, was auf eine längere Domestikation hinweist. Sie gleichen in der Form und Größe genau denen des Palustris-Schädels vom Ith. Canis intermedius ist von Nehring, allerdings fraglich, auch in Westeregeln nachgewiesen. Über einen Fund in der Steinauer Höhle (südl. Hessen), vgl. 75. Ber. der Senckenb. Ges. 1914, 8. 213, Fig. 3a u. 3b.

Vergleichende Maße.

oo |,.7

= (n° Basale ane en A Wake RENE 164 | 168 Hinpedes Ganmens 2: fue ps ee NE Er 92 | 94 Kieferlange vom Augenrande bis zu den Incisivalveolen | 82 | 83 Weite zwischen den Jochbogen . . i. = „2... | 107 Großte-Kieferbreite? 2... CR 64 | 66 Zwischen den Eckzähnen außen . . . . . . . . . . . 33.129 Geringste Breite zwischen den Augen ........ | 36 | 35 ZwischentdentOrbitalzacke ne RENE 51 | 49 GrobteBreiterdeniSchadelkapse lee 64 | 64

(Bei Weikersdorf nach der Zeichnung)

ihangeider (Gehorblasen yee 1-4 ERP | 20 Breiten ur Mio RCA DDC TONI sso) | 17 Länge der Backenzabnreihe |)... « 9s: 65,5 | 66 [Lange des oberen’ Reißzahns "NN nn 18,5 | 18,5

Bezüglich der Abstammung des Cais intermedius vermutete Woldrich begreiflicherweise zunächst eine Kreuzung zwischen C. palustris und C. matris optimae, lehnte diese aber wegen verschiedener Verhältnisse der Schädelkapazität ab und entschied sich mehr für die Abstammung vom afrikanischen Canis lupaster. Ich besitze mehrere Schädel desselben und kann nur versichern, die Schädel des C. interme- dius und lupaster sind so weit verschieden, daß es gar nicht verlohnt, die Differenzen erst durch Maßangaben zu beweisen. Es kann also eine Abstammung von C. lupaster absolut nicht in Frage kommen. Ich sehe gar kein Hindernis, den C. intermedius für ein Kreuzungsprodukt des späteren C. palustris und des C. matris optimae der Bronzezeit zu be-

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trachten, zumal die völlige Übereinstimmung der Gehörblasen von C. è. und C. p. nach Größe und Form ganz deutlich für eine Abstammung des mittleren Bronzehundes von C. palustris spricht, während die Profil-

Fig. 3. Canis intermedius.

linie bis auf die etwas flachere Stirn, das Hinterhaupt, selbst die Form des Scheitelkammes mit dem unten zu besprechenden C. matris optimae von Ahrbergen übereinstimmt. Man kann sich ein Kreuzungsprodukt zwischen C. palustris und matris optin.ae kaum anders vorstellen, als in der Form des Schädels von C. intermedvius, der auch in der GroBe genau zwischen bei- den steht. Die Länge des oberen Reif- zahns steht ebenfalls gerade in der Mitte zwischen (©. palustris und matris optimae. Zu II.

Der bei Abtragung eines Hügels dicht vor Hildesheim gefundene Schädel ist vorzüglich erhalten. Die hier ent- deckte, erst teilweise ausgegrabene An- siedelungsstätte reicht nach der Be- schaffenheit der Tonscherben durch weite Zeiträume von der neolithischen durch die Bronze- und Eisenzeit bis ins frühe Mittelalter; es wurden bisher ein neolithischer Steinhammer, eine zer- brochene bronzene Spange und ein paar Eisensachen der La Tene-Zeit gefunden. Eine eingehende Beschreibung bleibt Herrn Direktor Hau- thal vorbehalten. Von Haustieren fand ich bei flüchtiger Durchsicht der Knochen Pferd, Rind, Schaf, Schwein, doch lassen sich daraus noch keine Schlüsse ziehen, da diese Knochen, die teilweise in trichterför- migen, sich neben den Wohngruben findenden Löchern lagen, schon in früheren Perioden durcheinander geraten sein können.

Bezüglich des Hundeschädels, der mit einigen nach Material und

Zoolog. Anzeiger. Bd. XLVI. 6

Fig. 4. Camis intermedius.

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Ornamentik ganz primitiven Tonscherben in bedeutender Tiefe lag, kann kein Zweifel obwalten, er stammt nach seinem Habitus und den be- gleitenden Funden aus der neolithischen oder dem Anfang der Bronze- zeit. Der sehr kräftige und schwere Schädel des nach der Abkauung der Zähne etwa 8—9 Jahre alten Hundes ist der einer robusten Rasse, die man sich etwa wie einen Saupacker oder Hatzrüden vorstellen mag. Die Gehirnkapsel ist schmal, nur in der hinteren Hälfte mäßig ver- breitert, die vordere Einschnürung lang und breit, der Schädelteil gleicht also durchaus dem von Canis lupus. Der mäßig hohe Scheitelkamm ist mehrfach seitlich ausgebogen, was die Folge von Beißereien oder Schlägen auf den Kopf sein kann. Da Zahnmarken fehlen, ist das letztere anzunehmen, der Hund ist also, wie manche Schädel exotischer Haushunde meiner Sammlung beweisen, hart behandelt worden. Die Weite zwischen den sehr kräftigen Jochbogen ist erheblich, die Breite zwischen den Augen mäßig. Der relativ kurze Kiefer ist sowohl hinten wie vorn breit, das Nasenrohr schmal und niedrig, was für die vorge- schichtlichen Hunderassen im Gegensatz zu den heute lebenden charakte- ristisch ist.

Die langen Nasenbeine erstrecken sich weit in die Stirn hinein, auch der Zwischenkiefer ist lang. Das Hinterhauptloch ist klein und hoch, die Gehörblasen an der Innen- und Außenseite abgeflacht, außen mit seichter Rinne. Der untere Augenrand ist nicht nach außen um- gebogen.

Der horizontale Ast des Unterkiefers ist hoch und dick, der auf- steigende Ast mit starker Schraubenflügeldrehung, die erheblicher ist als bei Wölfen, indem der obere Teil nach innen, der obere Teil der hinteren Kante nach außen umgebogen ist. Der obere Reißzahn ist, wie meist bei C. lupus, erheblich länger als die beiden folgenden Zähne zusammen.

Der Kiefer ist infolge kultureller Einwirkung in der Verkürzung begriffen, da der 4. untere Prämolar bereits die Kulissenstellung hat, d. h. er hat sich um 2 mm über den vorderen AuBenrand des Reißzahns nach hinten geschoben. Ferner ist der Raum zwischen dem oberen Eck- zahn und dem äußeren Schneidezahn zu eng, daher sind die unteren Eckzähne auffallend stark ausgeschliffen. Wenn die Verkürzung des Kiefers noch stärker wird, stellt sich öfter der 3. obere Prämolar quer, endlich schwinden, wie bei der Bulldogge, dem Mops, Zwergterriern u. a., einzelne Prämolaren (s. Fig. 5 u. 6).

Der Schädel zeigt den Typus des von Anutschin beschriebenen neolithischen Canis inostranzewi, ebenso ist er dem von Studer aus dem steinzeitlichen Pfahlbau von Font am Neuenburger See beschrie- benen und abgebildeten Schädel sehr ähnlich (vgl. Studer, Zwei große

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Hunderassen der Steinzeit 1892), besonders ist die Form der durchaus wolfähnlichen Gehirnkapsel ganz die gleiche.

Die basale Länge (182 mm) ist etwas größer als die von C. inostran- zewi (177), aber kleiner als die des Hundes yon Font (192), übrigens

Fig. 5. Canis inostranzewi.

liegt die Länge der Basis und des Gaumens noch innerhalb der Grenzen des Canis matris optimae, während das Verhältnis der Gaumenbreite zur Länge des Schädeis ungefähr das des C. palustris ist.

Demnach enthält der Schädel die Elemente dreier Caniden, des Torf- hundes, des Bronzehundes und des euro- päischen Wolfes.

Wenn man den Torfhund mit dem Bronzehunde und das gewonnene Pro- dukt mit dem europäischen Wolfe kreuzte, mußte ein ähnlicher Schädel wie der vorliegende entstehen.

Wie sich die Schädelresultate bei einer Kreuzung zwischen Haushunden und wilden Caniden gestalten, ergibt sich aus folgendem Beispiel.

Mir stehen zur Verfügung:

1) aus dem naturhistorischen Mu- seum in Braunschweig der Schädel eines rassereinen australischen Dingo, der völlig mit einem solchen im Provinzial- museum zu Hannover übereinstimmt,

2) aus meiner Sammlung der Schä-

Fig. 6. Canis inostranzewi.

del einer nicht rassereinen weißgelben Dingohündin, die wahrscheinlich aus einer Kreuzung des echten Dingo mit weißen Schäferhunden von ungefähr gleicher Größe hervorgegangen ist,

6*

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8) gleichfalls aus meiner Sammlung 2 Schädel von Nachkommen dieser Dingohündin aus einer Kreuzung mit einem schwarzen ost- sibirischen Laikahunde.

Die Hündin, den Laikahund und ihre beiden Nachkommen habe ich jahrelang im Hamburger Zoologischen Garten gekannt und wieder- holt gezeichnet.

Der Schädel der Hündin ist ebenso groß, wie der des echten Dingo und hat denselben Habitus, auch das Gebiß stimmt völlig überein. Aber der Nasenrücken ist ähnlich wie bei den Schädeln deutscher Schäferhunde mehr eingebogen, der Coup de hache, die Vertiefung der Stirn zwischen den Augen stärker, die Breite zwischen den Augen etwas geringer. Die Nasenbeine sind schmaler und in der Mitte des äußeren, beim echten Dingo geraden Randes etwas eingebogen. Der untere Augenrand ist wie bei vielen Haushunden nach außen umgebogen, der Kiefer vorn etwas schmaler, der horizontale Ast des Unterkiefers etwas höher als beim echten Dingo.

Die beiden fast identischen Schädel der Kreuzungsprodukte sind erheblich größer, als der der Mutter und des echten Dingo, sie zeigen aber sonst durchaus den Dingocharakter, da das Wildhundblut offenbar stärkeristals dasdes Haushundes, und in den Bastarden mehr Dingo- als Haushundblut steckt. Die Profillinie und der Coup de hache, auch die Umbiegung des unteren Augenrandes und die Nasenbeine sind die der Mutter, auch die Gehörblasen haben Dingoform, das Hinterhauptloch ist niedriger, ebenso der horizontale Ast des Unterkiefers. Das Gebiß ist natürlich stärker, doch zeigen die Zähne die Dingoform. Übrigens hatten die beiden Bastarde die gelblich fahlrote Dingofärbung.

Kreuzungen zwischen Wölfen und Haushunden sind sehr leicht, besonders wenn die Tiere von jung auf zusammengehalten werden, auch in enger Gefangenschaft von Menagerien, wo ich zahlreiche, oft sehr schöne Wolfbastarde gefunden und gezeichnet habe und die Bastarde wiederum fruchtbar waren. Noch heute werden Haushunde in Finn- land und Rußland mit Wölfen gekreuzt, und die Mischlinge sind durch- aus brauchbar.

Wie schnell aus einer Kreuzung von Haushundrassen eine gute und dauerhafte neue Rasse entsteht, zeigt der Dobermannpintscher, der etwa 40 Jahre existiert und dessen Ursprung wir sehr genau kennen. Diese Rasse ist ganz konstant, wohl proportioniert und sehr intelligent, wie die Verwendung des Dobermannpintschers als Sanitätshund beweist.

Ob die Kreuzung, aus der der prähistorische Hildesheimer Hund hervorgegangen ist, eine zielbewußte oder instinktivewar, kann natürlich nicht entschieden werden, doch möchte ich eher das erstere annehmen,

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da die neolithischen und bronzezeitlichen Haustierzüchter offenbar intelligente Menschen waren.

MaBe. BASIC LAN OCR OO RI NN 162 Gaumenlänge . . SOS M IO ee Mittlere Länge der Ne ee LE A LULA re ARRE VISO) Geringste Breite zwischen den Augen ............: 42 Breite’ zwischen den Orbitaltortsatzem, . 2... va. 6, 00 Binschnürung der Schädelkapsel . . . . . . . . . . . . . . . 43 Hintere Breite der Schädelkapsel . . . . . . . . . . . . . . 66 “Weite zwischen den Jochbogen . . . ERE (coe. 2120 Kieferbreite außen zwischen den Beißrähnen Ge Aran ici 66 Zwischen den Eckzähnen . . . . OPA e sad) Innere Gaumenbreite zwischen den Bekähnen ee ANI) Vordere Breite des Choanenausschnitts. . . . . . . . . . . . 17 DinsedentGehorblasent ue man MR O Breiter. SNA ET ERS N a OP EE ARI Ho) Höhe des Ente rhauptloches/ DEIR ee nn LER ea) Breite. : . . . SR RER BD) Länge des Unione mig Cond! and ee Be 208 Hohe unter dem aufsteigenden Ast. ..... .. a0 ..2..6 Höhe des horiz. Astes unter dem Reißzabn . . . . . . . . . . 27 Dick. DEREN SR ei Länge der oberen de ic ae eee IRN NIK NE aL ARMA giga Der unteren... . O RO NUO Länge des oberen Lat I Se A Del ne 102 Der beiden Hôckerzähne zusammen . . . . . . . . . . . . . 18 Zu IV.

Der Schädel von Ahrbergen ist der eines Bronzehundes, Canis matris optimae, und fast identisch mit einem solchen, der in einem Tu-

Fig. 7. Canis matris optimae.

mulus bei K1.-Vahlberg gefunden und von mir im Zool. Anz. XXXIII, 9, 1908 beschrieben wurde. Er stammt etwa aus der Zeit Karls d. Gr.,

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während der bei K1.-Vahlberg gefundene von Herrn Prof. Fuhse in den Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr. gesetzt wird (s. Fig. 7. u. 8).

Fig. 8. Canis matris oplimae.

Der Schädel von Ahrbergen ist etwas kürzer, der Kiefer und die Ent- fernung zwischen den Augen etwas schmaler. Die Gehérblasen haben bei beiden die gleiche Form und Größe, ebenso gleichen sich die Unter- kiefer und das Gebiß beider Schädel völlig. Im ganzen macht der Schädel von Ahrbergen, wie erklärlich, einen etwas weniger robusten Eindruck als der viel ältere von Kl.-Vahlberg und nähert sich mehr dem des deutschen Schäferhundes, dessen Abstammung von C. matris optimae ganz sicher und dessen Gebiß mit dem des Schädels von Ahrbergen völlig identisch ist. Nur ist die Profillinie des deutschen Schäferhundes vor den Augen etwas mehr eingebogen, während sie beim Bronzehunde, auch dem Schädel von

Ahrbergen, noch eine seichte Ausbiegung zeigt, wie bei seinem Ahnen,

dem indischen Wolfe.

Vergleichende Maße.

Kl,-Vahl| Ann ea berg bergen Schäfer. hund Basale Lange rn a an ee 185 177 178 Gaumenlanger e ERI e ean 97 94 98 Größte Breite der Schädelkapsel . . . . . . . . 63 62 62 Breite zwischen den Augen m, 2. 5 43 36 37 Weite zwischen den Jochbogen außen . . . . . 106 103 102 Kieferbreite zwischen den Eckzähnen innen . . 25 23 23 Länge des Unterkiefers zwischen Cond. und Inci- sivalveolen a N aan 157 153 152

Bei manchen deutschen Schäferhunden sind die Maße etwas ge- ringer als bei dem von mir gewählten Exemplar.

Die Reste der drei

Zu V. großen Hunde aus der Popenburg-

klippe des Ith besitzen das größte wissenschaftliche In-

teresse.

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Ich habe sie mit 1, 2, 3 bezeichnet, entsprechend die 3 Unterkiefer- ‘iste. Die am besten erhaltene Kapsel 1 und der rechte Unterkieferast 1 gehören einem Individuum an. Bei 1 ist die Stirn bis vor den Augen erhalten, ebenso der hintere Ansatz des Jochbogens bis zur Umbiegung; die linke Seite des Schädels ist weggeschlagen.

Die Kapsel 2 ist schräg von vorn, 3 von vorn geòffnet worden, wie das bei unzählichen Schädeln, auch denen des C. palustris der Schweizer neolithischen Pfahlbauten geschehen ist. Die 3 Hunde sind also ge- gessen worden. Die Bruchränder sind alt, teils gerundet, teils unregel- mäßig gezackt. Die Trennung und Öffnung der Schädelkapseln ist nicht durch Schläge mit einem stumpfen Instrument, etwa einem Hammer oder einem rundlichen Stein erfolgt, da in diesem Falle von der Schlagstelle radiale, sich weit durch den Schädel fortsetzende Sprünge entstehen, die hier fehlen. Vielmehr wurde die Öffnung sehr wahrscheinlich durch einen scharfen Steinmeißel bewirkt, nicht durch einen Metallmeißel, da in diesem Falle die Bruchlinien schärfer und gerader verlaufen müßten. Übrigens mußten die Neolithiker vorsichtig mit einem hölzernen Schlägel oder Hammer auf den SteinmeiBelschlagen ; wenn man mit einem Stein schlägt, zerspringt der Meißel.

Der Unterkiefer 2 ist unter den Prämolaren durch einen verheilten Biß verdickt, dessen Marken noch an der Innenseite erkennbar sind. Ich besitze mehrere derartige Unterkiefer. Wenn 2 Hunde ernsthaft kämpfen, sucht stets der eine den andern zu Boden zu werfen, so daß er auf dem Rücken liegt. Falls der am Boden liegende geschickt ist, beißt er den über ihm stehenden von unten in den Unterkiefer und macht ihn, wenn es ihm gelingt, den Unterkiefer zu zerbeißen, sofort wehrlos.

Vom Gebiß sind im Bruchstück des Oberkiefers erhalten der Reiß- zahn und die beiden Kauzähne, in den Unterkiefern 1 und 3 der Reiß- zahn und der 3. und 4. Prämolar, in 2 noch außerdem der 2. Prämolar.

Die Reste sind gerade so weit erhalten, daß sie sicher bestimmt und sichere Schlüsse daraus gezogen werden konnten (s. Fig. 9).

Bei der Untersuchung stellte sich sofort die wichtige Tatsache heraus, daß sämtliche Schädelteile, einschließ- lich des Gebisses, aufs genaueste übereinstimmen mit dem Schädelund Gebiß eines erwachsenen g' Canis pallipes meiner Sammlung. |

Der indische Wolf ist nicht, wie Nehring glaubte, eine Abart des Canis lupus, sondern eine sehr gute Art. Er ist erheblich kleiner als C. lupus und hat die bräunlich graue Farbe, die viele deutsche Schäfer- hunde zeigen. Er heult nicht, sondern bellt zuweilen. Der schlanke

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Schädel unterscheidet sich auBer der etwas stärkeren Erhohung über den Augen von dem des C. lupus besonders durch den Bau der Schädel- kapsel. Diese ist bei C. lupus so, wie ich sie oben an dem Schädel von Hildesheim beschrieb. Bei C. pallipes dagegen ist die vordere Ein- schnürung kürzer und die Breite in der Mitte und besonders nach hinten viel erheblicher, ganz ähnlich wie bei Schakalen und den meisten Haushunden. Folglich ist auch die Schädelkapazität und die Gehirn- masse beim indischen Wolfe relativ größer als beim europäischen.

Im einzelnen decken sich die Längen- und Breitendimensionen der 3 Schädelkapseln, die Erhöhung über der Stirn, die Länge, Höhe und Form des Unterkiefers, der bei ©. pallipes unter den Prömolaren fast gerade, bei ©. lupus etwas eingebogen ist, sowie die Größe und Gestalt der Zähne sozusagen mathematisch mit denen des indischen Wolfes.

Fig. 9. Canis pallipes domesticus.

Besonders sind auch die Hinterhauptcondylen ebenso groB und schräg nach hinten gerichtet, wie bei C. pallipes. Sie entsprechen bei Wölfen, die oft genötigt sind eine schwere Beute weit zu tragen, dem kräftigen Atlas und muskulösen Nacken. Schon beim Bronzehunde, ebenso bei großen recenten Rassen, sind sie kleiner und stehen steiler, weil der Nacken schwächer und das Tragen schwerer Lasten überflüssig geworden ist.

Trotzdem die absolute Übereinstimmung der Canidenreste vom Ith mit C. pallipes eine weitere Vergleichung eigentlich überflüssig machte, wurden dieselben doch mit allen Schädeln des C. lupus und zahlreicher großer Haushunde meiner Sammlung verglichen. Beides mit negativem Erfolge.

Bei allen Schädeln von C. lupus, auch dem einer in Gefangenschaft gehaltenen Wölfin, der nicht länger ist, als der von C. pallipes, beträgt die Erhöhung über der Stirn etwa 4mm weniger, als beim indischen

Wolfe und den Schädeln von der Popenburg. Daher ist der stumpfe

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Winkel, den die Scheitel- und Stirnlinie über den Augen bildet, bei C. lupus größer, als bei den beiden andern Caniden. Wegen der stärkeren Wölbung der Stirnbeine ist auch der Coup de hache bei den letzteren tiefer.

Das GebiB ist auch bei dem kleinsten Schädel von C. lupus stärker als bei ©. pallipes und den 3 Ith-Kiefern. Die Reißzähne sind um 3, der vorletzte Kauzahn des Oberkiefers um 1, bei großen Lupus-Schädeln um 3—3,5, die Prämolaren um 1—3 mm länger.

Von recenten Haushunden wurden verglichen die Schädel von 2 Doggenrassen, einem Leonberger, Neufundländer, Barsoi und Eskimo- hunde. Auch hier fanden sich im Kiefer und Gebiß immer Differenzen.

Vergleichende Maße.

RC} I TA ©. p. Ith | Sara ENGE Hier Rs er e ee 200 etwa 200 Gaumenlänge . . . . . . Todi MR SARE et I RS ea 110 etwa 112 Zwischen Cond. occipitalis und mittlerer Incisivalveole des terne TS AO NEO RES Rea has 220 etwa 220 Crowuel Schadelbreiter ey ci; dete a) See False i cae 70 74 (K. 3) ZayischendgeniOrbitalzacken 015 ii ui ce see 58 56 Binsehnurungsdahinter =... . n lige 41 41 Geringste Stirnbreite zwischen den Augen. ....... 44 43 Größte Breite des Hinterhauptes über der Gehöröffnung . 79 78 Hioheruberidem Hor-maenume ». . e 37 37 Höhe des unteren Augenrandes über der hinteren Wurzel desf2sEramolarse an nun es Jen a BSR 37 38 Höhe des For. magnum . . . . . IRR AES E E 16 16 Eee eee n lena ti 21 20 MamoeideraGehorblaset= 7. : ae 28 23—28 res cd ae OMS n er i 20 17—20 Länge des Unterkiefers zwischen Cond. und Incisivalveolen 173 | 174 IElohesunterkdemrReißzahn se ee I on 28 28 Mittlere Dickes. aghi ee ei LEA 13 12 Hôhe des aufsteigenden Astes über dem unteren Kieferrande 63 66 PES < Fg ee o ee AZ II 33 Länge der unteren Backenzahnreihe . . . . . . . STAI 88 89 Hänveldes oberen ReiBzahns’. 2°. 20 20 Der beiden Kauzähne zusammen . . . . . PISTA BAUER 20,5 20,5 Länge der Kaufläche des vorletzten Molars . . . . .. ; 17 17 rete o n a ii, 10,5 10,5 lancerdesiunterensReiBzalms gi. na 23 23 Mineeavonbramolar A nme nno 12 12 = - - DAS NAPPES RAM Gl ie ye I SARTI, oli 11 = - - RER I E ci O 10 10

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Alle Unterkieferäste waren, wodurch sich die großen Kulturhunde von Wölfen fast immer unterscheiden, erheblich dicker. Am meisten Ähnlichkeit zeigte sich noch beim Eskimohunde, aber nicht, weil er vom indischen, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit vom weißen ark- tischen Wolfe abstammt. Ebensowenig sind Eskimokunde in der Stein- zeit nach dem Ith gekommen.

Auch mit den beiden großen Schädeln im märkischen Provinzial- Museum zu Berlin, die Nehring als Canis decumanus beschrieben hat, haben die Schädelreste von der Popenburg nichts zu schaffen. Bei C. decumanus, den Nehring mit Recht für ein Kreuzungsprodukt mit C. lupus hält, ist der Lupus-Charakter deutlich erkennbar, und die Maße sind durchschnittlich um 25 mm länger.

Da an den Schädelkapseln die Glenoidgruben und die Unterkiefer erhalten sind, läßt sich mit Sicherheit auch die basale und die Gaumen- länge der Ithhunde berechnen. Wenn man den Unterkiefer in die Glenoidgrube fügt, dann die Entfernung vom unteren Rande des For. magnum bis zu den mittleren Incisivalveolen mißt und, da der Ober- kiefer etwas darüber hinausragt, 3mm hinzurechnet, erhält man die basale Länge. Bei C. pallipes schneidet der knöcherne Gaumen gerade mit der hinteren Wurzel des letzten Kauzahnes ab. Bei geschlossenem Kiefer ragt diese 3mm über den vorletzten unteren Kauzahn hinaus. Wenn man die Entfernung von hier bis zu den Incisivalveolen am Unterkiefer mißt und 3 mm hinzurechnet, hat man die Gaumenlänge.

Es entstehen nun wichtige Fragen:

Sind die 3 Exemplare des Canis pallipes vom Ith wilde oder domestizierte indische Wölfe und wie sind sie im letzeren Falle nach dem Ith gekommen?

Der indische Wolf reicht bis zum Indus, Oldfield Thomas will ihn noch in Südostarabien nachgewiesen haben. Jedenfalls ist der von mir beschriebene südarabische Canis hadramauticus, dessen Schädel ich auch besitze, durchaus von C. pallipes verschieden.

Nehring hat (N. Jahrb. f. Min. Geol. Paläont. 1890, S. 46—48) nach zwei mehr oder weniger defekten Unterkiefern und einzelnen Zähnen aus dem ‘Heppenloch in Württemberg, dessen Fauna er für präglazial oder altdiluvial oder jungpliozän hält, einen Canis pallipes fossilis beschrieben. Über die Form der Unterkieferreste sagt er nichts. Die Maße der Zähne stimmen nicht ganz mit meinen Schädeln von C. pallipes überein, aber da die Länge der unteren Backenzahnreihe fast dieselbe ist, können sie C. pallipes angehören, zumal sie mit Cuon- resten zusammen gefunden sind. Wolfreste nur nach Zähnen zu be- stimmen, oder große und kleine Rassen bzw. Arten danach zu unter-

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scheiden, ist sehr bedenklich, denn da die Wölfinnen einen kleineren Schädel als die cj haben, und man an den Zähnen nicht das Ge- schlecht erkennen kann, so kann ein Zahn ebensowohl dem © einer größeren als dem cj einer kleineren Rasse angehören. Vgl. Freuden- berg, Die Säugetiere des älteren Quartärs von Mitteleuropa, S. 137 bis 154.

Für die Abstammung der 3 Hunde aus dem Ith ist der vereinzelte Fund aus dem Heppenloch nicht zu verwerten.

An den Gehörblasen der 3 Ith-Schädel finden sich schwache, aber deutliche Spuren der Domestikation, die sich schon in den Differenzen der Maße ausdrücken. Die Gehörblasen der Hunde verändern sich stark durch die Domestikation, die den Gebrauch des Ohres erheblich herabsetzt. Sie verkleinern sich, bekommen eine unregelmäßige Gestalt, sie schrumpfen ein.

Die Gehörblase ist bei 1 erheblich kürzer als bei C. pallipes, die Abflachung der Außenseite, die auch etwas gefurcht ist, stärker, daher die Mitte der Gehörblase schärfer kantig. Bei 2 ist die Außenseite an der Basis höckerig, bei 3 die Abflachung der Außenseite geringer als bei dem indischen Wolfe. Solche Unregelmäßigkeiten kommen bei den Gehörblasen eines wilden Caniden nicht vor, falls nicht die Gehörblase durch einen Schuß oder durch Parasiten verletzt ist.

Der Scheitelkamm ist bei allen 3 Kapseln niedriger als bei C. pallipes.

Wir haben es also in den Resten vom Ith mit gezähmten indischen Wolfen zu tun, die offenbar eben erst, natürlich im geologischen Sinne, in den Hausstand übergegangen sind. Die Reste stammen sicher aus der neolithischen, wahrscheinlich aus der altneolithischen Zeit.

Der domestizierte indische Wolf stellt ein bisher vermifites Binde- glied in der Entwicklungsreihe der großen Haushunde dar und muß C. pallipes domesticus heißen. Jeitteles erkannte zwar richtig, daß sein Bronzehund C. matris optimae vom indischen Wolfe abstammt, aber dieser ist ein viel jüngeres und stärker modifiziertes Glied in der Entwicklungsreihe als der viel ältere, rein neolithische C. pallipes domesticus. Ein in der Steinauer Höhle in Hessen gefundener Schädel scheint gleichfalls dem Canis pallipes domesticus anzugehören. Vgl. 45. Ber. der Senckenb. Ges. 1914, S. 212, Fig. 2a u. 2b.

Nach der heutigen Auffassung haben sich die Urgermanen im Norden entwickelt und schon in der neolithischen Zeit nach Süden und Osten bis nach Ostasien und Indien ausgebreitet.

Die vielfache Übereinstimmung der europäischen indogermanischen Sprachen mit dem Altpersischen und Sanskrit zeigt uns diesen Weg.

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Das ergibt sich auch aus dem Studium der nordchinesischen Rinder, die ich im Zool. Anz. 1912, S. 120—128 beschrieb. Das deutsche Land- schaf sah vor Jahrhunderten weiß aus mit rotem Kopf und roten Beinen. Diese Rasse ist durch Kreuzungen mit Merinoschafen und andern Ras- sen bei uns verschwunden, aber genau dasselbe Schaf findet sich noch heute in Asien bis nach China, Tibet und Indien (l. c. S. 128—130).

So werden Handelsverbindungen entstanden sein, welche den domestizierten indischen Wölfen, die eben erst primitive Haushunde ge- worden waren, den Weg von Indien bis nach Deutschland gebahnt haben. Wenn wir z.B. nicht Marco Polos Beschreibung von China hätten, würden wir nicht wissen, daß schon im 13. Jahrhundert Deutsche in China gelebt haben. Die von Prschewalski in Centralasien ent- deckten Daldys sind wahrscheinlich ein Kreuzungsprodukt indoger- manischer und mongolischer Stämme. Noch in frühhistorischer Zeit waren die centralasiatischen Wüsten, wie die Entdeckungen Sven v. Hedins und Aurel Steins beweisen, bewohnbar und bewohnt, bil- deten also damals und früher keine wasserlosen Schranken.

Ferner schlägt der Totenkultus des Hundes eine Brücke von dem Bronzehunde von Kl.-Vahlberg über Griechenland zu den Hunden der altpersischen und Sanskritlieder, zum Vendidad und Rigveda.

Das von Herrn Direktor Fuhse in dem Tumulus von K1.- Vahlberg gefundene Skelet des C. mat. opt. lag unmittelbar vor den Steinen der Grabkammer in sitzender, nicht horizontaler Stellung. Am Schädel fehlen die Nasenbeine, die nach dem Alter des Hundes schon hätten fest verwachsen sein müssen, wie bei dem unter III besprochenen geo- logisch viel älteren Schädel von Hildesheim. Der Hund war wahr- scheinlich durch Einschlagen der Nasenbeine getötet und seinem ver- storbenen Herrn als Grabwächter und Begleiter ins Jenseits mitgegeben worden.

Auch im Rigveda, dem ältesten Teil der Vedalieder, wie im Ven- didad, dem ältesten Teil des von Zarathustra verfaßten Avesta, welcher etwa der Gesetzgebung des Moses entspricht, findet sich der